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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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McGowans »Menschliche Physiologie«, Quains »Anatomische Tafeln«, Berwyns »Praxis der Chirurgie«, Fownes »Chemie« und zwei Bücher von Meigs: »Die Frau, ihre Krankheiten und Heilmethoden« sowie »Kinderkrankheiten«.
    Während der betagte Verkäufer die Rechnung erstellte, sah Shaman sich um und bemerkte Dr. Berwyn im Gespräch mit einem kleinen, finster dreinblickenden Mann, dessen gepflegter Bart und Haare graumeliert waren. Die Haarpracht des Mannes stand im Gegensatz zu Berwyns Kahlköpfigkeit. Es sah so aus, als stritten die beiden, offenbar jedoch mit gesenkter Stimme, da keiner der Umstehenden Notiz von ihnen nahm. Dr. Berwyn stand halb von Shaman abgewandt, der andere Mann jedoch präsentierte ihm sein Gesicht, und so las Shaman von seinen Lippen ab, mehr aus einem Reflex heraus denn aus dem Wunsch, das Gespräch zu belauschen.
    »... weiß, dass dieses Land in den Krieg ziehen wird. Ich bin mir auch durchaus bewusst, dass wir heuer nur zweiundvierzig anstatt der üblichen sechzig Studenten haben und dass sich einige von ihnen in die Schlacht flüchten werden, wenn ihnen das Medizinstudium zu anstrengend wird. Doch gerade in solchen Zeiten müssen wir uns davor hüten, unser Niveau zu senken. Harold Meigs hat mir mitgeteilt, dass Sie einige Studenten aufgenommen haben, die Sie letztes Jahr noch abgewiesen hätten. Soweit ich weiß, soll darunter sogar ein Taubstummer...«
    Es war ein Glück für Shaman, dass der Verkäufer in diesem Augenblick seinen Arm berührte und ihm die fällige Summe zeigte. »Wer ist dieser Gentleman, der da drüben mit Dr. Berwyn spricht?« fragte Shaman, ein Stummer, der seine Stimme wiedergefunden hatte. »Das ist Dr. McGowan, Sir«, erwiderte der Verkäufer, und Shaman nickte, nahm seine Bücher und ging schnell aus dem Laden.
    Einige Stunden später saß Professor Barnett Alan McGowan an seinem Schreibtisch im Obduktionssaal des Vorlesungsgebäudes und übertrug flüchtige Notizen in Aktenformulare. All die Berichte in diesen Akten handelten vom Tod, da Dr. McGowan selten mit einem lebenden Patienten zu tun hatte. Weil einige Leute nicht gerne mit dem Tod in Berührung kamen, war er inzwischen daran gewöhnt, Arbeitsplätze zugewiesen zu bekommen, die den Blicken der Öffentlichkeit verborgen blieben. Im Krankenhaus, dessen Chefpathologe er war, lag der Obduktionssaal im Keller des Hauptgebäudes. Obwohl er ganz in der Nähe des vielbenutzten, geklinkerten Tunnels lag, der unter der Straße das Krankenhaus mit dem Vorlesungsgebäude verband, war es ein düsterer Ort, dem nur die Röhren, die seine niedere Decke überzogen, eine gewisse traurige Individualität verliehen.
    Das Anatomielabor der Fakultät befand sich im hinteren Teil des Vorlesungsgebäudes im ersten Stock. Zu erreichen war es sowohl über den zentralen Korridor wie über eine separate Treppe. Ein hohes, vorhangloses Fenster warf bleiernes Winterlicht in den langen, schmalen Raum. Das eine Ende des Saals schloss gegenüber dem Tisch des Professors ein kleines Amphitheater ab, dessen aufsteigende Stuhlreihen in ihrer Enge zwar nicht bequem, aber der Konzentration sehr förderlich waren. In der Mitte des Saales standen ein großer Behälter mit Lake voller menschlicher Leichenteile und ein Tisch mit Reihen von Sezierinstrumenten. Etwas abseits lag, auf einem Brett über Sägeböcken, die Leiche einer jungen Frau, die mit einem sauberen weißen Tuch zugedeckt war. Die Angaben über diese Leiche waren es, die der Professor eben in seine Akten übertrug.
    Zwanzig Minuten vor der vollen Stunde kam ein einzelner Student ins Labor. Der Professor sah nicht auf, um den großgewachsenen jungen Mann zu begrüßen, sondern tauchte seine Stahlfeder in die Tinte und schrieb weiter, während der Student direkt zum Mittelplatz in der vordersten Reihe des Amphitheaters ging und ihn mit seinem Notizblock belegte. Er setzte sich nicht, sondern schlenderte durch das Labor und sah sich um. Vor dem Lakebehälter blieb er stehen, nahm zu Dr. McGowans Verblüffung den langen Holzstab mit dem Eisenhaken an einem Ende und fischte mit ihm zwischen den Leichenteilen herum wie ein Junge, der an einem Teich spielt. In den neunzehn Jahren, die Dr. McGowan nun schon Einführungsvorlesungen in Anatomie hielt, hatte er so etwas noch nie erlebt. Für gewöhnlich trugen neue Studenten einen ungeheuren Respekt zur Schau, wenn sie den Anatomiesaal zum erstenmal betraten. Die meisten bewegten sich langsam, einige ängstlich. »Hallo, Sie da!

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