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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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besuchen kommen und sich in diesem schönen Stuhl ausruhen würde.« Bischof Duggan nickte ernsthaft, zwinkerte dabei jedoch Shaman zu. »Dr. Cole, ich glaube, Sie werden es weit bringen«, sagte er. Der Bischof war ein umsichtiger Mann. Er ging zuerst zum Kongressabgeordneten und sprach mit ihm über die Zukunft der Militärpfarrer nach dem Ende des Krieges, erst ein paar Minuten später näherte er sich Miriam Ferocia. »Kommen Sie, Mutter Oberin!« sagte er. »Wir wollen uns ein bisschen unterhalten!« Er zog einen einfachen Holzstuhl neben den Ledersessel und ließ sich mit einem wohligen Seufzen in die Polster sinken.
    Bald waren die beiden in eine Unterhaltung über die Angelegenheiten des Klosters vertieft. Mater Miriam Ferocia saß aufrecht auf dem geraden Stuhl, und ihren Augen konnte man die Freude darüber ansehen, dass der Bischof sich so gut in dem Sessel machte: Er saß da, beinahe wie ein König, den Rücken gegen die Lederpolster gelehnt, die Hände auf die geschnitzten Armlehnen gestützt. Mary Peter Celestine, die das Gebäck servierte, bemerkte das Strahlen im Gesicht ihrer Oberin. Sie warf Mary Benedicta, die den Kaffee nachschenkte, einen Blick zu, und beide lächelten verschwörerisch.
    Am Tag nach dem Empfang brachten der Sheriff und ein Deputy die Leiche einer dicken Frau mittleren Alters mit langen, schmutzigen, braunen Haaren zur Cole-Farm. Der Sheriff wusste nicht, wer die Frau war. Man hatte sie tot auf der Ladefläche eines geschlossenen Frachtkarrens entdeckt, der Zucker und Mehl für Haskins Gemischtwarenhandlung geliefert hatte.
    »Wir glauben, sie ist in Rock Island in den Wagen gekrochen, aber niemand weiß, woher sie kommt, oder sonst etwas über sie«, sagte der Sheriff. Er trug sie mit dem Deputy in den Schuppen. Die beiden legten sie auf den Tisch, nickten dann zum Abschied und fuhren wieder weg. »Anatomiestunde!« kündigte Shaman seinem Bruder an. Sie zogen die Leiche aus, die alles andere als sauber war, und Alex sah zu, wie Shaman ihr Stroh und Läuse aus den Haaren kämmte. Mit dem Skalpell, das Alden ihm geschmiedet hatte, setzte Shaman den y-förmigen Schnitt, mit dem er die Brust öffnete. Dann entfernte er mit der Rippensäge das Brustbein und erklärte Alex dabei, wie die einzelnen Körperteile hießen und was er tat und weshalb. Als er zwischendurch den Kopf hob, sah er, dass Alex mit sich zu kämpfen hatte. »Gleichgültig, wie verkommen der menschliche Körper ist, er ist ein Wunder, das wir mit Staunen betrachten und gut behandeln müssen. Wenn ein Mensch stirbt, verlässt die Seele oder der Geist- die Griechen nennen es anemos - den Körper. Die Menschen haben sich schon immer darüber gestritten, ob dieser anemos auch stirbt oder in eine andere Welt übergeht.« Er lächelte, als er daran dachte, dass sein Vater und Barney ihm die gleiche Botschaft übermittelt hatten, und es erfüllte ihn mit ganz großer Freude, dass er nun das Vermächtnis weitergeben durfte. »Als Pa Medizin studierte, hat ihm sein Professor gesagt, dass der Geist den Körper zurücklässt wie einer, der ein Haus verlässt, in dem er lange gewohnt hat. Pa hat immer gesagt, wir müssen den Körper mit Würde behandeln, aus Respekt vor dem Menschen, der in dem Haus gewohnt hat.«
    Alex nickte, und Shaman sah, dass er sich mit echtem Interesse über den Tisch beugte. Und während Alex die Hände seines Bruders beobachtete, kehrte auch die Farbe wieder in sein Gesicht zurück.
    Jay hatte angeboten, Alex in Chemie und Pharmakologie zu unterrichten. An diesem Nachmittag saßen sie auf der Veranda des Cole-Hauses und beschäftigten sich mit den Elementen, während Shaman in der Nähe eine Zeitschrift las und hin und wieder eindöste. Doch Jay und Alex mussten ihre Bücher weglegen und Shaman der Hoffnung auf ein Nickerchen Lebewohl sagen, als Nick Holden auf den Hof gefahren kam. Shaman bemerkte, dass Alex Nick höflich, aber ohne Herzlichkeit begrüßte.
    Nick war gekommen, um sich zu verabschieden. Er war noch immer US-Kommissar für Indianerangelegenheiten und kehrte nach Washington zurück.
    »Dann hat Präsident Johnson Sie wohl gebeten, im Amt zu bleiben?« fragte Shaman.
    »Nur für eine gewisse Zeit. Der holt sich schon seine eigenen Leute, da brauchen Sie keine Angst zu haben«, erwiderte Nick und schnitt ein Gesicht. Er erzählte ihnen, ganz Washington sei aus dem Häuschen wegen eines Gerüchtes über angebliche Verbindungen zwischen dem ehemaligen Vizepräsidenten und Präsident Lincolns

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