Medicus 02 - Der Schamane
nach ihren Fäkalien. Dass sie den harten Winter überlebt hatten und jetzt ins Sommerlager zogen, hob ganz offensichtlich die Stimmung der Indianer, denn überall sah Rob J. junge Männer ringen, laufen oder »Stock und Ball« spielen, ein Spiel, das er noch nie gesehen hatte. Dazu benutzte man kräftige Holzstöcke mit einem Netz aus geflochtenen Lederstreifen an einem Ende und eine mit Wildleder überzogene Holzkugel. Im vollen Lauf schleuderte ein Spieler den Ball aus dem Netz heraus, und ein anderer fing ihn geschickt mit seinem Netz auf. Indem sie den Ball auf diese Weise von einem zum anderen weitergaben, legten sie beträchtliche Entfernungen zurück. Es war ein schnelles und ziemlich raues Spiel. Hatte ein Spieler den Ball, versuchten die Gegner ihn aus dessen Netz herauszuholen, indem sie mit ihren Stöcken nach ihm schlugen und dabei oft Körper oder Gliedmaßen des Gegners trafen. Oft stolperten die Spieler im Eifer des Gefechts oder stießen sich gegenseitig zu Boden. Als einer der vier Spieler bemerkte, wie fasziniert Rob das Spiel beobachtete, winkte er ihm und gab ihm seinen Stock.
Die anderen lachten und nahmen ihn sehr schnell in das Spiel auf, das für ihn allerdings mehr Körperverletzung denn Sport zu sein schien. Er war größer als die drei anderen und muskulöser. Bei der ersten Gelegenheit schleuderte der Ballträger die harte Kugel mit einem Schlenker seines Handgelenks in Robs Richtung. Der streckte sein Netz erfolglos danach aus und musste laufen, um den Ball aufzuheben. Schon aber steckte er mitten in einem wüsten Kampf, in einem Hagel aus Stockschlägen, von denen die meisten auf seinem Körper zu landen schienen. Die schnellen Ballwechsel verwirrten ihn. Wehmütig musste er erkennen, dass dies Fertigkeiten waren, die er nicht besaß, und er gab bald darauf den Stock seinem Besitzer zurück.
Während er in Makwa-ikwas Langhaus geschmorten Hasen aß, erzählte die Medizinfrau ihm leise, dass ihn die Sauks um einen Gefallen baten. Während des ganzen Winters hatten sie in ihren Fallen Pelztiere gefangen, so dass sie jetzt zwei Stapel erstklassiger Nerze, Füchse, Biber und Bisame besaßen. Sie wollten die Felle gegen Saatgut eintauschen.
Das überraschte Rob J., denn er hatte die Indianer nicht für Ackerbauern gehalten.
»Wenn wir die Felle selbst zu einem weißen Händler bringen, werden wir betrogen«, erzählte Makwa-ikwa. Sie sagte es ohne Bitterkeit, so als würde sie eine beliebige Tatsache feststellen. Also führten er und Alden Kimball eines Morgens zwei mit Fellen beladene Packpferde und ein Pferd ohne Last den weiten Weg nach Rock Island. Rob J. verhandelte hartnäckig mit dem Ladenbesitzer und bekam schließlich für die Felle fünf Sack Saatmais - einen Sack kleinen Frühmais, zwei Sack größeren, hartkernigen Mais für Maisbrei und zwei Sack großkolbigen, weichkernigen Mehlmais - sowie je einen Sack Samen für Bohnen, Feld- und Moschuskürbisse. Zusätzlich erzielte er noch zwanzig Golddollar, die er den Sauks als Notgroschen geben konnte, falls sie noch andere Dinge von den Weißen kaufen mussten. Alden war voller Bewunderung für die Geschäftstüchtigkeit seines Arbeitgebers, weil er glaubte, Rob J. habe den komplizierten Handel auf eigene Rechnung abgeschlossen. Die Nacht verbrachten sie in Rock Island. In einem Saloon hörte sich Rob bei zwei Gläsern Ale die prahlerischen Erinnerungen alter Indianerkämpfer an. »Die ganze Gegend hier hat früher den Sauks und den Fox gehört«, sagte der rotäugige Barkeeper. »Die Sauks nannten sich selber Osaukie und die Fox Mesquakie. Gemeinsam gehörte denen das ganze Land zwischen Mississippi im Westen, dem Lake Michigan im Osten, dem Wisconsin im Norden und dem Illinois River im Süden -verdammte sechzig Millionen Morgen bestes Farmland. Ihre größte Siedlung war Sauk-e-nuk, eine richtige Stadt mit Straßen und einem Platz im Zentrum. Elftausend Sauks haben dort gelebt und dreitausend Morgen zwischen dem Rock River und dem Mississippi bestellt. Na, aber wir haben nicht lang gebraucht, um die roten Schweine zu überrennen und uns das gute Land unter den Nagel zu reißen.« Die Erzählungen waren Anekdoten über blutige Kämpfe mit Schwarzer Falke und seinen Kriegern, wobei die Indianer immer dämonisch, die Weißen tapfer und edel waren. Erzählt wurden sie von Veteranen der großen Indianerfeldzüge, und es handelte sich dabei vorwiegend um leicht durchschaubare Lügen, Träume davon, was hätte sein können, wenn die
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