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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Erzähler bessere Soldaten gewesen wären. Rob J. merkte, dass die meisten Weißen in den Indianern etwas anderes sahen als er. Fast alle redeten, als wären die Sauks wilde Tiere, die man mit vollem Recht fortgejagt hatte, um Platz zu machen für zivilisierte Menschen. Sein Leben lang hatte Rob nach der geistigen Freiheit gesucht, die er bei den Sauks entdeckte. Diese Freiheit hatte er vor Augen, als er in Schottland das Pamphlet verfasste, und diese Freiheit hatte er sterben zu sehen geglaubt, als Andrew Gerould gehängt wurde. Und jetzt hatte er sie bei einem bunt zusammengewürfelten Haufen fremdartiger Rothäute entdeckt. Er wollte nichts beschönigen, schließlich kannte er den Dreck im Sauk-Lager und die Rückständigkeit ihrer Kultur in einer Welt, die sie längst überholt hatte.
    Während er langsam sein Ale trank und Interesse an den alkoholisierten Geschichten über Bauchaufschlitzen, Skalpieren, Plündern und Vergewaltigen vortäuschte, wusste er, dass Makwa-ikwa mit ihren Sauks das Beste war, was er bisher in diesem Land kennengelernt hatte.

Stock und Ball
    Eines Tages stieß Rob J. auf Sarah Bledsoe und ihr Kind, so wie man wilde Tiere in seltenen Augenblicken der Ruhe überrascht. Ähnlich hatte er Vögel nach dem Gefiederputzen in verzückter Zufriedenheit in der Sonne dösen sehen. Die Frau und ihr Sohn saßen mit geschlossenen Augen vor ihrer Hütte auf der Erde. Geputzt hatte sie sich allerdings nicht. Ihre langen blonden Haare waren stumpf und verfilzt, und das zerdrückte Kleid, das um ihren dürren Körper hing, war schmutzig. Ihre Haut war teigig und schlaff, die Blässe verriet ihre Krankheit. Der schlafende kleine Junge hatte blonde Haare, die wie die seiner Mutter schon lange keinen Kamm mehr gesehen hatten. Als Sarah ihre blauen Augen aufschlug und Rob J. sah, malten sich auf ihrem Gesicht Überraschung, Angst, Bestürzung und Wut. Wortlos nahm sie ihren Sohn auf den Arm und lief ins Haus. Rob J. ging ihr nach bis zur Hüttentür. Allmählich gingen ihm seine wiederholten Versuche, durch diese Holzplanke mit ihr zu sprechen, auf die Nerven.
    »Mrs. Bledsoe, bitte! Ich möchte Ihnen helfen«, rief er, aber ihre einzige Antwort war ein angestrengtes Ächzen und das Geräusch eines schweren Balkens, der die Tür verriegelte.
    Die Indianer brachen die Scholle nicht mit einer Pflugschar auf, wie die weißen Siedler dies taten. Statt dessen suchten sie sich dünne Stellen in der Grasdecke, gruben mit angespitzten Pflanzstöcken Löcher und steckten den Samen hinein. Dichtere Grasstellen bedeckten sie mit Gestrüpphaufen, unter denen das Gras innerhalb eines Jahres verfaulte und so für das nächste Frühjahr neuen Ackerboden freigab. Als Rob J. das Sommerlager der Sauks das nächstemal besuchte, war der Mais ausgesät, und eine festliche Stimmung lag in der Luft. Makwa-ikwa erzählte ihm, dass sie nach der Aussaat ihr größtes Fest feierten, den Kranichtanz. Begonnen wurde es mit einem Stock-und-Ball-Spiel, an dem alle männlichen Sauks teilnahmen. Mannschaften brauchten nicht erst aufgestellt zu werden, selbstverständlich spielte eine Hälfte gegen die andere. Die Langen Haare zählten ein halbes Dutzend Männer weniger als die Tapferen Männer. Das Spiel sollte für Rob J. wenig glücklich ausgehen, und schuld daran war der große Indianer Pyawanegawa, Der singend einhergeht, denn während Rob mit Makwaikwa sprach, kam er dazu und sagte etwas zu ihr. »Er lädt dich ein, bei den Langen Haaren mitzuspielen«, sagte sie auf englisch zu Rob.
    »So.« Er grinste töricht. Das war das letzte, was er tun wollte, die Geschicklichkeit der Indianer und seine eigene Unbeholfenheit waren ihm noch zu gut in Erinnerung. Die Ablehnung lag ihm bereits auf der Zunge, doch die beiden Indianer sahen ihn mit einem ganz besonderen Interesse an, und er spürte, dass die Einladung eine Bedeutung hatte, die er nicht verstand. Anstatt also abzulehnen, wie ein vernünftiger Mann es getan hätte, dankte er höflich und sagte, es freue ihn, für die Langen Haare spielen zu dürfen.
    In ihrem steifen Schulmädchenenglisch, das so wunderlich klang, erklärte Makwa-ikwa ihm, dass der Wettkampf im Sommerdorf beginne. Gewinnen werde die Hälfte, die es schaffe, den Ball in eine kleine Höhle am gegenüber liegenden Ufer etwa sechs Meilen Flussabwärts zu legen.
    »Sechs Meilen!« Er war noch mehr erstaunt, als er erfuhr, dass es nach links und rechts keine Begrenzung gab. Makwa-ikwa gab ihm jedoch zu verstehen, dass ein

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