Medicus 02 - Der Schamane
breitete. An diesem Tisch thronte er wie ein König auf seinem besten Möbelstück, einem Stuhl mit einer Sitzfläche aus geflochtener Hickoryrinde. Hier aß er seine Mahlzeiten, oder er las vor dem Zubettgehen beim flackernden Licht einer Talglampe in seinen Büchern und Journalen. Der Kamin aus Flusssteinen und Lehm hielt die kleine Hütte warm. Darüber hingen seine Flinten an hölzernen Haken, und von den Dachsparren baumelten Kräutersträuße, Zwiebel- und Knoblauchzöpfe, Fäden mit getrockneten Apfelscheiben, eine Hartwurst und ein schwarzgeräucherter Schinken. In einer Ecke stapelten sich Werkzeuge, die er alle mit mehr oder weniger Geschick selbst angefertigt hatte.
Die Gambe spielte er nur selten. Meistens war er zu müde, um für sich alleine zu musizieren. Am 2. März kamen ein Brief von Jay Geiger und ein Paket mit Schwefelpuder in der Kutschenstation von Rock Island an. Geiger schrieb, was Rob J. über das Land in Holden’s Crossing berichtet habe, sei mehr, als er und seine Frau sich erhofft hätten. Das Geld für die Anzahlung auf das Land habe er Nick Holden bereits überwiesen, und er werde alle weiteren Zahlungen an das staatliche Grundamt übernehmen. Leider könnten sie aber in der nächsten Zeit nicht nach Illinois kommen, da Lillian wieder schwanger sei: »Ein unerwartetes Ereignis, das uns mit Freude erfüllt, aber auch die Abreise von hier verzögert.« Sie wollten warten, bis das zweite Kind geboren und groß genug wäre, um die beschwerliche Reise über die Prärie zu überstehen.
Rob J. las den Brief mit gemischten Gefühlen. Es freute ihn, dass Jay seiner Empfehlung vertraute und eines Tages sein Nachbar sein würde. Doch es erfüllte ihn auch mit stiller Verzweiflung, dass dieser Tag noch nicht in Sicht war. Er hätte viel darum gegeben, mit Jason und Lillian zusammensitzen und Musik machen zu können, die ihn tröstete und seine Seele erfreute. Die Prärie war ein riesiges stummes Gefängnis, und die meiste Zeit war er darin allein. Er beschloss, sich einen Hund zuzulegen.
Zur Zeit der Wintersonnenwende waren die Sauks wieder notleidend und hungrig. Gus Schroeder wunderte sich laut, weshalb Rob J. noch einmal zwei Sack Mais kaufen wolle, drang jedoch nicht weiter in ihn, als Rob nicht darauf einging. Die Indianer akzeptierten das Maisgeschenk wie das erstemal schweigend und ohne sichtbare Gefühlsäußerung. Er brachte Makwa-ikwa ein Pfund Kaffee und machte es sich zur Gewohnheit, sie gelegentlich zu besuchen und mit ihr am Feuer zu sitzen. Sie mischte den Kaffee mit getrockneten wilden Wurzeln, bis er nicht mehr wie das Getränk schmeckte, das er gewohnt war. Sie tranken diesen Kaffee schwarz; er war nicht gut, aber heiß, und er schmeckte irgendwie indianisch. Mit der Zeit lernten sie einander kennen. Makwa-ikwa hatte in einer Mission für Indianerkinder in der Nähe von Fort Crawford vier Jahre lang die Schule besucht. Sie konnte ein wenig lesen und hatte schon von Schottland gehört, doch seine Vermutung, dass sie Christin sei, korrigierte sie. Ihr Volk betete Sewanna, den Hauptgott, und andere Manitus an, und sie erzählte ihm von den alten Riten. Er erkannte, dass sie vor allem Priesterin war, und das half ihr, eine gute Heilerin zu sein. Sie wusste alles über die Arzneipflanzen, die in der Gegend wuchsen, und von ihren Zeltstangen hingen Büschel getrockneter Heilkräuter. Er sah ihr einige Male zu, wie sie die Sauks behandelte. Zuerst kniete sie sich neben den kranken Indianer und spielte leise auf ihrer Trommel, die aus einem zu zwei Dritteln mit Wasser gefüllten und mit einer gegerbten, dünnen Tierhaut bespannten Tonkrug bestand. Sie rieb das Trommelfell mit einem gebogenen Stab. Dabei entstand ein leiser, dumpf dröhnender Ton, der mit der Zeit eine einschläfernde Wirkung hatte. Dann legte sie beide Hände auf den zu heilenden Teil des Körpers und sprach zu dem Kranken in ihrer Sprache. Rob erlebte, wie sie auf diese Weise einem jungen Mann die Wirbelsäule wieder einrenkte und die Knochenschmerzen einer alten Frau linderte.
»Wie lässt du mit deinen Händen den Schmerz verschwinden?« Sie schüttelte den Kopf. »Kann ich nicht erklären.« Rob J. nahm die Hände der alten Frau in die seinen. Obwohl die Schamanin ihr die Schmerzen genommen hatte, spürte er, dass ihre Lebenskräfte versiegten, und er sagte Makwa-ikwa, dass die Frau nur noch wenige Tage zu leben habe. Als er fünf Tage später wieder in das Lager der Sauks kam, war die alte Frau tot. »Woher hast
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