Medicus 02 - Der Schamane
mächtigen Frau gemacht. Doch dem Gebot der Stunde gehorchend, half Weiße Wolke ihr, die Kräuter zu sammeln, die dort, wo sie hingehen würde, nicht wuchsen. Zusammen mit ihren Trommeln und dem Medizinbeutel packten sie die Kräuter auf ein geschecktes Maultier, das der Prophet ihr schenkte. Sie verabschiedete sich zum letzten Mal von dem alten Mann und ritt auf seinem zweiten Geschenk, einem grauen Pony, zum entfernten Territorium der Kansas, wo die Sauks jetzt lebten. Das Land, auf dem das Reservat sich befand, war noch flacher als die Ebenen von Illinois. Und trocken. Es gab gerade genug Trinkwasser, doch es musste über eine weite Strecke herbeigeschafft werden. Diesmal hatten die Weißen den Sauks Land gegeben, das eigentlich so fruchtbar war, dass sie alles mögliche darauf anbauen konnten. Was sie aussäten, spross im Frühjahr auch kräftig, doch schon in den ersten Tagen des Sommers vertrocknete alles und starb ab. Der Wind wirbelte Staub hoch, durch den die Sonne wie ein rundes, rotes Auge brannte. Also aßen sie die Nahrung des weißen Mannes, die die Soldaten ihnen brachte: verdorbenes Rindfleisch, stinkendes Schweinefett, altes Gemüse. Krumen vom Festmahl der Bleichgesichter. Es gab auch keine hedonoso-te. Die Sauks lebten in Hütten aus frisch geschlagenem Holz, das sich verzog und schrumpfte, so dass im Winter der Schnee durch die Ritzen hereindrang. Zweimal im Jahr kam ein nervöser, kleiner Indianerbevollmächtigter mit einigen Soldaten und lud einen Haufen Waren inmitten der Prärie ab: billige Spiegel, Glasperlen, kaputte Pferdegeschirre aus rissigem Leder mit Glöckchen daran, alte Kleidung, madenzerfressenes Fleisch. Anfangs stürzten sich alle Sauks auf den Stapel, doch dann fragte jemand den Indianerbevollmächtigten, warum er diese Sachen bringe, und er antwortete, sie seien die Bezahlung für das Sauk-Land, das die Regierung konfisziert hatte. Danach nahmen nur noch die Ärmsten und die von allen Verachteten etwas. Alle sechs Monate wurde der Stapel größer, doch nur um in Wind und Wetter zu verrotten. Von Makwa-ikwa hatten sie bereits gehört. Als sie ankam, empfingen sie sie mit Respekt, aber sie waren kein richtiger Stamm, der noch eine Schamanin brauchte. Die Mutigsten hatten sich Schwarzer Falke angeschlossen und waren von den Weißen getötet worden, oder sie waren verhungert oder im Masesibowi ertrunken oder den Sioux in die Hände gefallen. Doch es gab immer noch welche im Reservat, die die tapferen Herzen der Sauks früherer Zeiten besaßen. Ihren Mut mussten sie in den Kämpfen mit den in der Region heimischen Stämmen ständig auf die Probe stellen, denn der Wildbestand wurde immer dünner. Die Comanchen, die Kiowas, die Cheyenne und die Osages ärgerten sich über die Jagdkonkurrenz der Stämme aus dem Osten, die die Weißen hierher verfrachtet hatten. Die Weißen aber machten es den Sauks sehr schwer, sich zu verteidigen, denn sie versorgten sie mit Unmengen schlechten Whiskeys und nahmen ihnen dafür fast alle Felle ab, die ihre Fallen einbrachten. Immer mehr Sauks verbrachten ihre Tage im Alkoholrausch.
Makwa-ikwa lebte über ein Jahr im Reservat. In diesem Frühjahr wanderte eine kleine Büffelherde über die Prärie. Monds Gatte, Der singend einhergeht, ritt mit anderen Jägern hinaus und erlegte einige Tiere. Makwaikwa rief einen Büffeltanz aus und unterwies die Summer und Sänger. Die Leute tanzten wieder auf die alte Art, und in den Augen so mancher entdeckte sie ein Leuchten, das sie schon lange nicht mehr gesehen hatte, ein Leuchten, das sie mit Freude erfüllte. Andere spürten es ebenfalls. Nach dem Büffeltanz kam Der singend einhergeht zu ihr und sagte, dass einige Sauks das Reservat verlassen und leben wollten, wie ihre Väter gelebt hatten. Sie ließen fragen, ob ihre Schamanin mit ihnen gehen wolle. Sie fragte Der singend einhergeht, wohin sie gingen. »Heim«, sagte er.
So verließen die Jüngsten und Stärksten das Reservat, und sie ging mit ihnen. Im Herbst hatten sie das Land erreicht, das ihren Herzen Freude und gleichzeitig Kummer bereitete. Es war schwer, dem weißen Mann aus dem Weg zu gehen, obwohl sie um jede Siedlung einen großen Bogen machten. Die Jagd brachte wenig ein, und der Winter traf sie unvorbereitet. Weiße Wolke hatte in diesem Sommer das Zeitliche gesegnet, und Prophetstown war verlassen. An Weiße konnte Makwa-ikwa sich nicht um Hilfe wenden, denn sie wusste noch zu gut, was der Prophet ihr eingeschärft hatte: Nie dürfe sie einem
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