Medicus 02 - Der Schamane
einen Garten anzulegen, aber nächstes Jahr will ich meinen eigenen haben.« Sie zeigte ihm das Gartenstückchen, das zum Teil schon von Unkraut und Strauchwerk befreit war. Die Veränderung der Frau war noch erstaunlicher als die ihres Anwesens. Sie habe begonnen, täglich selber zu kochen, erzählte sie, um nicht mehr von den gelegentlichen heißen Mahlzeiten abhängig zu sein, die die großzügige Alma ihr brachte. Dank der regelmäßigen und besseren Ernährung war die bleiche Hagerkeit einer anmutigen Weiblichkeit gewichen. Sarah bückte sich, um ein paar grüne Zwiebeln zu ernten, die auf dem Gartenstückchen sprossen, und er betrachtete ihren rosigen Nacken. Bald würde man ihn nicht mehr sehen, denn ihr Haar wuchs nach wie ein gelber Pelz.
Einem kleinen blonden Tier gleich trippelte ihr Junge hinter ihr her. Auch er war sauber, und Rob J. bemerkte Sarahs Unmut, als sie versuchte, Erdflecken vom Knie des Sohnes wegzuwischen. »Ein Junge macht sich eben immer schmutzig«, sagte er leichthin. Das Kind sah ihn mit wildem, angsterfülltem Blick an. Er hatte immer etwas Süßes in der Tasche, um sich leichter mit seinen kleinen Patienten anzufreunden, und so nahm er ein Bonbon heraus und wickelte es aus. Fast eine halbe Stunde lang musste er dem kleinen Alex ruhig zureden, bis er nahe genug an ihn heran durfte, um ihm die Süßigkeit geben zu können. Als die kleine Hand schließlich nach dem Bonbon schnappte, hörte Rob J. Sarah erleichtert aufatmen. Er hob den Kopf und sah, dass sie sein Gesicht betrachtete. Sie hatte wunderbare Augen voller Leben.
»Ich habe eine Wildpastete gemacht. Wenn Sie mit uns essen wollen...«
Er wollte schon höflich ablehnen, doch zwei Gesichter starrten ihn an: der Junge verzückt an dem Bonbon lutschend, die Mutter ernst und erwartungsvoll. Die Gesichter schienen ihm Fragen zu stellen, die er nicht verstehen konnte. »Ich liebe Wildpastete«, sagte er.
Sarahs Verehrer
Es war medizinisch durchaus vertretbar, dass Rob J. in der nächsten Woche mehrmals auf der Rückfahrt von Hausbesuchen bei Sarah Bledsoe vorbeischaute, denn es war immer nur ein sehr kleiner Umweg, und als ihr Arzt musste er sich überzeugen, dass ihre Genesung gut verlief. Und in der Tat verlief sie prächtig. Über ihre Gesundheit gab es kaum etwas zu bemerken, er konnte höchstens feststellen, dass aus der Leichenblässe ihrer Haut eine rosa-pfirsichfarbene Tönung geworden war, die ihr sehr gut stand, und dass ihre Augen vor Vitalität und einer faszinierenden Intelligenz funkelten. An einem Nachmittag bot sie ihm Tee und Maisbrot an, in der folgenden Woche hielt er dreimal bei ihrer Hütte, und zweimal nahm er ihre Einladung an, zum Essen zu bleiben. Sie kochte noch besser als Mond, und er konnte nicht genug von ihren Gerichten bekommen, die, wie sie sagte, typisch für Virginia waren. Er wusste, dass ihre Vorräte dürftig waren, also brachte er immer wieder Kleinigkeiten mit, einen Sack Kartoffeln oder einen kleinen Schinken. Eines Morgens erhielt er von einem Farmer, der gerade knapp bei Kasse war, vier frisch geschossene Moorhühner als Anzahlung, und mit diesen Vögeln am Sattel ritt er zur Bledsoe-Hütte. Als er dort ankam, sah er Sarah und Alex auf der Erde sitzen. Neben ihnen grub ein schwitzender, hemdloser Mann mit kräftigen Muskeln und gebräunter Haut gerade den Garten um. Sarah stellte ihn als Samuel Merriam vor, einen Farmer aus Hooppole. Merriam war mit einem Karren voller Schweinsdung aus Hooppole gekommen, und die Hälfte davon hatte er bereits unter die Gartenerde gegraben. »Es gibt nichts Besseres für das Wachstum«, erklärte er Rob J. fröhlich. Verglichen mit diesem fürstlichen Geschenk einer Wagenladung Scheiße, die noch dazu gleich verarbeitet wurde, waren Robs kleine Vögel nur ein dürftiges Mitbringsel, doch er händigte sie ihr trotzdem aus, und sie schien aufrichtig dankbar zu sein. Er lehnte höflich ab, als sie ihn einlud, doch mit ihr und Samuel Merriam zu Mittag zu essen, und besuchte statt dessen Alma Schroeder, die begeistert von seinen Erfolgen bei der Heilung Sarahs plapperte. »Und wie Sie sehen, hat sie auch schon einen Verehrer.« Merriams Frau war im vergangenen Herbst an Fieber gestorben, und er brauchte möglichst bald eine neue Frau, die sich um seine fünf Kinder kümmerte und ihm bei den Schweinen half. »Eine gute Partie für Sarah«, sagte sie. »Aber hier an der Grenze sind Frauen ja so rar, da hat sie alle Chancen.«
Auf dem Heimweg zog es Rob J. noch
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