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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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unser beider gemeinsames Leben.« Er hielt inne. »Du musst mir glauben, dass es keinen Grund zur Eifersucht gibt.« Er drückte ihre Hände und ließ sie nicht los. »Noch andere Bedingungen?« »Ja«, erwiderte sie erregt. »Du musst die Namen deiner Stuten ändern. Sie heißen nach Frauen, die du geritten hast, oder etwa nicht?« Er lächelte, doch aus ihren Augen funkelte echter Zorn. »Nur die eine. Die andere war eine alternde Schönheit, die ich als kleiner Junge gekannt habe, eine Freundin meiner Mutter. Ich habe sie begehrt, aber für sie war ich nur ein Kind.«
    Sie fragte nicht, welches Pferd nach welcher Frau benannt war. »Es ist ein grausamer und gemeiner Männerwitz. Aber du bist kein grausamer und gemeiner Mann, und deshalb wirst du die Namen der Stuten ändern.« »Dann gib du ihnen neue Namen!« sagte er ohne Zögern.
    »Und du musst versprechen, dass du nie ein Pferd nach mir benennst, gleichgültig, was in Zukunft zwischen uns passiert.«
    »Ich schwöre es! Allerdings« - er konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen - »habe ich vor, bei Samuel Merriam ein Schwein zu bestellen und es...«
    Zum Glück hielt er ihre Hände, und er ließ sie auch nicht los, bis sie seinen Kuss aufrichtig erwiderte. Als ihre Lippen sich trennten, sah er, dass sie weinte.
    »Was ist denn?« fragte er, und ihn beschlich die Vorahnung, dass es nicht einfach sein würde, mit dieser Frau verheiratet zu sein.
    Ihre nassen Augen strahlten. »Briefe mit der Postkutsche zu verschicken kostet zwar schrecklich viel Geld«, sagte sie. »Aber jetzt kann ich doch endlich meinem Bruder und meiner Schwester in Virginia etwas Erfreuliches berichten.«

Die Große Erweckung
    Sich zur Heirat zu entschließen war einfacher als dann einen Geistlichen zu finden. Deshalb kümmerten sich die Paare im Grenzland meistens nicht groß um das förmliche Treuegelöbnis, doch Sarah weigerte sich, »verheiratet zu sein, ohne verheiratet zu sein.« Sie hatte die Fähigkeit, alles sehr unverblümt zu sagen: »Ich weiß, was es heißt, ein vaterloses Kind zu tragen und aufzuziehen, und es wird mir nie wieder passieren.« Er verstand. Doch der Herbst war angebrochen, und er wusste, wenn erst einmal der Schnee die Prärie bedeckte, würde viele Monate lang kein Wanderprediger oder über Land reitender Priester durch Holden’s Crossing kommen. Die Lösung ihres Problems tauchte eines Tages mit einem Flugzettel auf, der eine Erweckungswoche ankündigte, und den Rob J. zufällig im Gemischtwarenladen las. »Sie nennen es die Große Erweckung von 1842. Die Woche wird in Belding Creek abgehalten. Dort müssen wir hin, Sarah, dort gibt’s genügend Priester.« Er bestand darauf, Alex mitzunehmen, und Sarah stimmte freudig zu. Sie nahmen den Buckboard. Es war eine eineinhalbtägige Reise auf einer passierbaren, wenn auch steinigen Straße, und in der ersten Nacht schliefen sie in der Scheune eines gastfreundlichen Farmers, in der sie ihre Decken im duftenden, frischen Heu ausbreiteten. Am nächsten Morgen verbrachte Rob J. eine halbe Stunde damit, als Gegenleistung für die Unterkunft die beiden Bullen des Farmers zu kastrieren und eine Wucherung aus der Flanke einer Kuh zu entfernen. Trotz dieser Verzögerung trafen sie vor Mittag in Belding Creek ein. Auch diese Siedlung war ziemlich neu, nur fünf Jahre älter als Holden’s Crossing, aber schon viel größer. Als sie durch den Ort fuhren, bekam Sarah große Augen. Sie drückte sich an Rob J. und hielt Alex’ Hand, denn an so viele Menschen war sie nicht gewöhnt. Die Große Erweckung von 1842 fand draußen in der Prärie in der Nähe eines schattigen Weidenwäldchens statt. Aus der ganzen Region hatte das Ereignis Leute angezogen, überall waren Zelte zum Schutz gegen die mittägliche Sonne und den Herbstwind aufgestellt. Sie sahen Wagen aller Arten und überall angebundene Pferde und Ochsen. Fliegende Händler versorgten die Menge, und die drei Reisenden aus Holden’s Crossing fuhren an Feuern mit brutzelnden und schmorenden Köstlichkeiten vorbei, deren Duft ihnen den Mund wässrig machte: Wildeintopf, Flussfischsuppe, Schweinebraten, Süßmais, geschmorter Hase. Als Rob J. das Pferd an einen Busch band - es war die frühere Margaret Holland und jetzige Vicky, die ihren Namen der Queen Victoria verdankte (»Die junge Queen hast du doch nie geritten, oder?« hatte Sarah gefragt) -, waren sie sehr hungrig, doch sie brauchten kein Geld für Essen auszugeben. Alma Schroeder hatte ihnen einen

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