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Medicus 02 - Der Schamane

Titel: Medicus 02 - Der Schamane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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einmal zur Bledsoe-Hütte. Er ritt, bis er vor Sarah stand, blieb aber im Sattel sitzen und sah sie nur an. Sie lächelte ihn an, doch es war ein verwirrtes Lächeln, und er sah, dass Merriam seine Arbeit unterbrach und ihn forschend anstarrte. Rob öffnete den Mund, ohne eigentlich zu wissen, was er sagen wollte. »Sie müssen möglichst viel Arbeit selbst verrichten«, kam schließlich über seine Lippen. »Die körperliche Anstrengung ist für Ihre vollständige Genesung notwendig.« Dann tippte er an seinen Hut und ritt übelgelaunt nach Hause.
    Als er drei Tage später wieder vor der Hütte anhielt, war von dem Verehrer nichts zu sehen. Sarah mühte sich mit einem großen, alten Rhabarberstock ab, den sie aufteilen und neu einpflanzen wollte, und er löste das Problem, indem er den Stock mit der Axt zerhackte. Gemeinsam gruben sie Löcher in den Lehm, pflanzten die Setzlinge ein und bedeckten sie mit warmer Erde, eine Arbeit, die ihm Freude machte und eine Portion Welsragout und einen Krug kühles Quellwasser einbrachte.
    Danach saßen sie am Flussufer und angelten, während Alex im Schatten eines Baumes schlief. Rob J. erzählte ihr von Schottland, und sie sagte ihm, dass sie gerne eine Kirche in der Nachbarschaft hätte, damit ihr Sohn im Glauben erzogen werden könne. »Ich denke jetzt sehr oft an Gott«, erzählte sie. »Als ich noch geglaubt habe, dass ich sterben muss und Alex dann alleine ist, habe ich gebetet. Und Er hat Sie geschickt.« Nicht ohne eine gewisse Verlegenheit gestand er ihr, dass er nicht an die Existenz Gottes glaube. »Ich glaube, Götter sind eine Erfindung des Menschen, und das war immer so«, sagte er. Er sah das Entsetzen in ihrem Blick und fürchtete schon, sie zu einem Leben der Frömmigkeit auf einer Schweinefarm ermuntert zu haben. Aber sie ging nicht weiter auf die Religion ein, sondern erzählte von ihrem früheren Leben in Virginia, wo ihre Eltern eine Farm besaßen. Ihre großen Augen waren so dunkelblau, dass sie beinahe violett wirkten. Es sprach zwar keine Sentimentalität aus ihrem Blick, doch er erkannte in ihm die Sehnsucht nach dieser einfacheren, wärmeren Zeit. »Pferde!« sagte sie. »Ich bin mit Pferden aufgewachsen.«
    Das bot ihm die Gelegenheit, sie für den folgenden Tag zu einem Ausritt einzuladen, zu einem alten Mann, der an Schwindsucht starb, und sie versuchte gar nicht, ihre Begeisterung über das Angebot zu verbergen, und nahm an. Am nächsten Morgen holte er sie auf Margaret Holland und mit Monica Grenville am Zügel ab. Alex ließen sie bei Alma Schroeder, die vor Freude strahlte, als sie erfuhr, dass Sarah mit dem Doktor ausritt. Es schien ein guter Tag für einen Ausritt. Zur Abwechslung war es einmal nicht zu heiß, und sie nahmen sich Zeit und ließen die Tiere im Schritt gehen. Sarah hatte Brot und Käse in ihre Satteltasche gepackt, und sie picknickten im Schatten einer Immergrünen Eiche. Im Haus des lungenkranken Mannes blieb Sarah im Hintergrund, sie horchte nur auf das Rasseln seines Atems und sah zu, wie Rob J. die Hände des Patienten hielt. Er wartete, bis Wasser auf der Feuerstelle heiß geworden war, wusch dann die dürren Glieder und flößte dem Alten löffelweise einen Betäubungstrunk ein, damit der Schlaf die Wartezeit erleichterte. Sarah hörte, wie er dem mürrischen Sohn und der Schwiegertochter sagte, dass der alte Mann nur noch wenige Stunden zu leben habe. Als sie das Haus verließen, war Sarah bewegt und sprach wenig. Rob, der die Ungezwungenheit des Hinritts wiederherstellen wollte, schlug vor, die Pferde zu tauschen, da sie eine gute Reiterin sei und mit Margaret Holland bestimmt keine Probleme haben werde. Sie genoss den Ritt auf dem lebhafteren Pferd. »Heißen eigentlich die beiden Stuten nach Frauen, die Sie gekannt haben?« fragte sie, und er musste zugeben, dass das so war.
    Sie nickte nachdenklich. Trotz seiner Bemühungen verlief der Rückweg recht schweigsam. Bei seinem nächsten Besuch zwei Tage später war schon wieder ein neuer Mann in ihrer Hütte, ein spindeldürrer Hausierer namens Timothy Mead, der die Welt aus traurigen braunen Augen betrachtete und ehrerbietig mit dem Doktor sprach, als er ihm vorgestellt wurde. Mead schenkte Sarah vier Rollen verschiedenfarbiges Garn. Rob J. holte einen Dorn aus Alex’ nacktem Fuß, wobei ihm auffiel, dass der Sommer zu Ende ging, der Junge aber keine ordentlichen Schuhe hatte. Er nahm deshalb an dessen Füßen Maß, und bei seinem nächsten Abstecher nach Rock Island

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