Medicus 02 - Der Schamane
Windeln wechseln, mit ihm spielen, es küssen und liebkosen konnten; seine Aufgabe aber war es, auf den Kleinen aufzupassen. In vieler Hinsicht erwies sich 1842 als ein gutes Jahr für die kleine Familie. Für den Hausbau hatte Alden Otto Pfersick, den Müller, und einen Siedler aus dem Staat New York namens Mort London angeheuert. London war ein guter, erfahrener Zimmermann. Pfersick hatte zwar für die Holzarbeiten nicht die geschicktesten Hände, dafür aber für das Mauern, und die drei Männer brachten Tage damit zu, am Fluss die besten Steine auszusuchen und sie mit Ochsen zum Bauplatz hochzukarren. Die Grundmauern, der Schornstein und die Feuerstellen wurden stattlich und solide. Die Männer arbeiteten langsam, denn es war ihnen bewusst, dass sie in einem Land der Holzhütten etwas Dauerhaftes bauten. Doch als bei Herbstbeginn Pfersick in seine Mühle und die beiden anderen Männer zur Farmarbeit mussten, waren die Wände hochgezogen und die Dachflächen gedeckt. Aber das Haus war noch lange nicht fertig, und deshalb saß Sarah vor der Hütte und putzte gerade grüne Bohnen, als ein gedeckter Planwagen hinter zwei müde aussehenden Pferden den Weg entlangschaukelte. Sie musterte den stattlichen Mann auf dem Kutschbock und entdeckte ein freundliches Gesicht und viel Straßenstaub auf den dunklen Haaren und dem Bart.
»Ist das vielleicht das Haus von Doktor Cole, Ma’am?«
»Das ist es - nicht nur vielleicht. Aber er ist unterwegs zu einem Hausbesuch. Ist der Patient verletzt oder schwer krank?«
»Wir haben keinen Patienten, dem Herrn sei Dank! Wir sind Freunde des Doktors, die sich hier niederlassen wollen.« Bei diesen Worten lugte eine Frau hinten aus dem Wagen heraus. Sarah sah ein blasses, ängstliches Gesicht unter einem ungestärkten Häubchen. »Sie sind doch nicht... Sind Sie vielleicht die Geigers?« »Das sind wir- nicht nur vielleicht.« Der Mann hatte schöne Augen, und sein herzhaftes, freundliches Lächeln ließ ihn noch größer erscheinen.
»Ach, wir haben euch so erwartet, Nachbarn! Jetzt aber schnell herunter von diesem Wagen!« Vor Aufregung verschüttete Sarah die Bohnen, als sie von der Bank aufstand. Drei Kinder befanden sich noch hinten auf dem Wagen. Das Kleinste, Hermann, schlief, doch Rachel, die schon beinahe vier war, und der zweijährige David schrien, als man sie herunterhob, und Sarahs Baby stimmte, ohne lang zu zögern, in den Chor mit ein. Sarah fiel auf, dass Mrs. Geiger gut zehn Zentimeter größer war als ihr Gatte, und nicht einmal die Erschöpfung der langen, beschwerlichen Reise konnte verdecken, wie fein geschnitten und anmutig ihre Züge waren. Als Mädchen aus Virginia hatte Sarah einen Blick für dergleichen. Zwar hatten die Züge der Ankommenden eine exotische Note, die Sarah noch nie gesehen hatte, doch sie begann sich sofort nervös Gedanken darüber zu machen, welches Essen sie ihnen vorsetzen konnte, das ihr keine Schande machen würde. Dann sah sie, dass Lillian weinte, und ihre eigene schier unendlich lange Reise in einem solchen Wagen fiel ihr wieder ein. Sie nahm die Frau in die Arme und merkte erstaunt, dass sie nun auch weinte, während Geiger recht verwirrt inmitten weinender Frauen und Kinder stand. Schließlich löste sich Lillian aus Sarahs Armen und flüsterte verlegen, dass ihre ganze Familie dringend einen geschützten Bach brauche, um sich zu waschen. »Dieses Problem können wir sofort lösen«, sagte Sarah und fühlte sich stark und mächtig.
Als Rob J. nach Hause kam, waren die Haare der Geigers noch nass vom Bad im Fluss. Als all das Händeschütteln und Rückenklopfen vorbei war, hatte er Gelegenheit, seine Farm einmal mit den Augen eines Neuankömmlings zu sehen. Jay und Lillian waren erschrocken über die Indianer und beeindruckt von Aldens Fähigkeiten. Jay war sofort einverstanden, als Rob vorschlug, Vicky und Bess, die ehemalige Monica Grenville, zu satteln und zu dem Land zu reiten, das den Geigers gehören sollte. Gerade rechtzeitig zu einem köstlichen Abendessen kehrten die beiden zurück, und Jay Geigers Augen strahlten vor Glück, als er seiner Frau die Vorzüge des Landes zu beschreiben versuchte, das Rob J. für sie erworben hatte. »Du wirst schon sehen! Warte nur, bis du es siehst!« sagte er. Nach dem Essen ging er zu seinem Wagen und kam mit der Fiedel zurück. Das Tafelklavier von Babcock hätten sie nicht mitnehmen können, sagte er, aber seine Frau habe es an einem sicheren, trockenen Ort in Verwahrung gegeben und
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