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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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noch wenige Schritte von der Tür entfernt war.
    »Mörderin ... Mörderin ... Mörderin!«
    Kurz bevor sie das Gebäude betrat, sah sie, daß das Fenster des Verwaltungszimmers zerbrochen war. Die Tür zu diesem Büro war offen, und R.J. sah Barbara Eustis, die auf Händen und Knien Glassplitter einsammelte.
    »Hallo!« sagte Barbara gelassen.
    »Guten Morgen! Ich wollte Sie kurz sprechen, aber offensichtlich...«
    »Nein, kommen Sie nur rein, R.J.! Für Sie habe ich immer Zeit.«
    »Ich bin etwas zu früh dran. Lassen Sie mich Ihnen mit den Scherben helfen! Was ist denn nur passiert?«
    »Fragen Sie lieber, wer es gewesen ist! Ein Junge, vielleicht dreizehn, ist allein an der Klinik vorbeigeschlendert, mit einer Papiertüte in der Hand. Und direkt unter meinem Fenster hat er das hier aus der Tüte gezogen und geworfen.«
    Ein Stein etwa von der Größe eines Baseballs lag auf Barbaras Schreibtisch. R.J. sah, daß er die Kante der Schreibtischplatte getroffen hatte, die unter der Wucht des Aufpralls zersplittert war. »Nur gut, daß er nicht Sie getroffen hat. Wurden Sie von Glassplittern getroffen?«
    Barbara Eustis schüttelte den Kopf. »Ich war in dem Augenblick auf der Toilette. Glück gehabt, ein schicksalhaftes Bedürfnis sozusagen.«
    »Hat der Junge zu den Demonstranten gehört?«
    »Wir wissen es nicht. Er ist die Straße hochgerannt und dann in diesen Verbindungsweg, der zur Forbes Avenue führt. Die Polizei hat die Verfolgung aufgenommen, ihn aber nicht gefunden.
    Wahrscheinlich wurde er von einem wartenden Auto mitgenommen.«
    »O Gott. Jetzt benutzen sie schon Kinder! Barbara, wie wird das enden? Wohin führt uns diese ganze Sache?«
    »In die Zukunft, Doctor! Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat die Legalität der Abtreibung in diesem Land bestätigt. Und jetzt hat die Regierung Tests mit der Abtreibungspille genehmigt«
    »Glauben Sie, daß diese Pille wirklich etwas ändert?«
    »Davon bin ich überzeugt. Ja.« Barbara Eustis warf Glasscherben in den Papierkorb, fluchte und saugte an ihrer Fingerspitze. »Die Tests mit RU486 dürften bei uns positiv ausfallen, da diese Pille in Frankreich, England und Schweden seit Jahren in Gebrauch ist. Wenn Ärzte erst einmal diese Pillen verschreiben dürfen und die Folgebehandlung in Ruhe in ihrer Praxis durchführen können, werden wir den Krieg gewonnen haben, zumindest mehr oder weniger. Natürlich wird es noch viele gewichtige moralische Einwände gegen die Abtreibung geben, und die Leute werden auch weiterhin von Zeit zu Zeit Demonstrationen veranstalten, aber wenn Frauen eine Schwangerschaft beenden können, indem sie einfach ihren Hausarzt besuchen, wird der Abtreibungsstreit so ziemlich vorbei sein. Die Gegner können schließlich nicht vor jeder Arztpraxis protestieren.«
    »Wann wird es soweit sein?«
    »Ungefähr zwei Jahre wird es noch dauern, denke ich. In der Zwischenzeit ist es unsere Pflicht, irgendwie durchzuhalten. Jeden Tag sind weniger Ärzte bereit, in den Abtreibungskliniken zu arbeiten. Im ganzen Staat Mississippi gibt es nur einen einzigen Mann, der Abtreibungen voraimmt. In North Dakota nur eine einzige Frau. Ärzte in Ihrem Alter machen diese Arbeit nicht; viele Kliniken können nur geöffnet bleiben, weil ältere, bereits pensionierte Ärzte in ihnen tätig sind.« Sie lächelte. »Alte Ärzte haben noch Mumm in den Knochen, R.J., sie sind viel mutiger als die jüngeren. Warum wohl?«
    »Weil sie vielleicht weniger zu verlieren haben als die jüngeren. Die haben Familien mit Kindern, um die sie sich kümmern, und Karrieren, die sie erst aufbauen müssen.«
    »Ja. Gott sei Dank, daß es die Alten noch gibt! Sie, R.J., sind eine echte Ausnahme. Ich würde alles geben, um noch so eine Ärztin wie Sie aufzutreiben ... Aber sagen Sie, worüber wollten Sie eigentlich mit mir reden?«
    R.J. ließ die Glasscherben in den Papierkorb fallen und schüttelte den Kopf. »Es ist spät geworden, und ich mache mich besser an die Arbeit. Es war nicht wichtig, Barbara. Ich schau ein andermal bei Ihnen vorbei.«
    Am Freitag machte sie sich eben Bratgemüse zum Abendessen und hörte im Radio ein Violinkonzert von Mozart, als Toby anrief.
    »Siehst du gerade fern?«
    »Nein.«
    »O Gott, R.J. Schalt an!«
    In Florida war ein siebenundsechzigjähriger Arzt namens John Bayard Britton vor der Abtreibungsklinik, in der er arbeitete, erschossen worden. Die Waffe, eine Schrotflinte, war von einem fundamentalistischen protestantischen Pfarrer

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