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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Wagen doch zu Fuß, während ich uns ein Abendessen mache!« sagte sie grausam und ein bißchen außer Fassung, worauf er nur stumm nickte und das Haus verließ.
    Als er zurückkam, hatte sie ihre Beherrschung wiedergefunden.
    Höflich, so wie sie mit jedem Gast reden würde, forderte sie ihn auf, seinen Koffer ins Gästezimmer zu stellen. Sie setzte ihm ein Essen vor, das man nicht gerade ein Festmahl nennen konnte: aufgewärmte Kalbsfrikadellen, Folienkartoffeln vom Vortag und Apfelsoße aus einem Glas.
    Sie setzten sich an den Tisch, doch bevor sie einen Bissen gegessen hatte, stand sie wieder auf, ging schnell in ihr Zimmer und schloß die Tür. David hörte, wie der Feraseher angeschaltet wurde, und dann kam Gelächter aus dem Lautsprecher, eine Wiederholung von Alf .
    Aber er hörte auch R.J. Irgendwie wußte er, daß sie nicht wegen ihnen beiden weinte, und er ging zur Tür und klopfte leise.
    Sie lag auf dem Bett, und er kniete sich daneben.
    »Ich habe sie doch auch geliebt«, schluchzte sie.
    »Ich weiß.«
    Sie weinten gemeinsam, wie sie es schon vor einem Jahr hätten tun sollen, und sie rutschte zur Seite und machte ihm Platz. Die ersten Küsse waren sanft und schmeckten nach Tränen.
    »Ich habe die ganze Zeit an dich gedacht Jeden Tag, jeden Augenblick.«
    »Ich hasse den Bart«, sagte sie.
    Am Morgen kam R.J. sich merkwürdigerweise vor, als hätte sie die Nacht mit einem Mann verbracht, den sie eben erst kennengelernt hatte. Es liegt nicht nur am zugewucherten Gesicht und am fehlenden Pferdeschwanz, dachte sie, als sie in der Küche stand und Saft mischte.
    Als der Toast und die Rühreier fertig waren, kam auch David in die Küche. »Das ist aber ein guter Saft. Was für einer ist das?«
    »Ich mischte Orangensaft mit Preiselbeersaft.«
    »Früher hast du nie diese Mischung getrunken.«
    »Na, aber jetzt trinke ich sie. Die Dinge ändern sich, David ...Ist dir in den Sinn gekommen, daß ich vielleicht einen anderen kennengelernt haben könnte?«
    »Hast du?«
    »Das geht dich nichts mehr an.« Ihre Wut brach durch. »Warum hast du dich bei Joe Fallon gemeldet, aber nicht bei mir? Warum hast du nie angerufen? Warum hast du so lange gewartet, bis du mir geschrieben hast? Warum hast du mich nicht wissen lassen, daß es dir gutgeht?«
    »Es ging mir nicht gut.«
    Die Eier auf ihren Tellern waren noch unberührt und wurden kalt, aber er begann zu reden, ihr alles zu erzählen.
    Nach Sarahs Tod hatte die Luft sich irgendwie verfärbt, so als wäre alles in ein sehr blasses Gelb getaucht. Ein Teil von mir funktionierte noch normal. Ich rief das Bestattungsunternehmen in Roslyn, Long Island, an, bestellte das Begräbnis für den nächsten Tag, fuhr hinter dem Leichenwagen her nach New York, aber vorsichtig, sehr vorsichtig. Ich blieb in einem Motel. Am nächsten Morgen gab es nur eine sehr schlichte Zeremonie. Der Rabbi in unserer früheren Gemeinde war neu; er hatte Sarah nicht gekannt, und ich bat ihn, es kurz zu machen. Die Sargträger waren Angestellte des Bestattungsinstituts. Der Direktor hatte zwar in der Morgenzeitung eine Todesanzeige aufgegeben, aber nur wenige Leute fanden die Zeit, zur Beerd igung zu kommen. So standen am Grab im Beth Moses Cemetery in West Babylon nur zwei Schulfreundinnen von Sarah, die sich an den Händen hielten und weinten, dazu fünf trauernde Erwachsene, die unsere Familie von früher her kannte. Ich schickte die Totengräber weg und schaufelte das Loch selber zu. Ich hörte, wie zunächst die Steine bei den ersten Schaufelladungen auf den Sarg prasselten, und dann kam nur noch Erde auf Erde, bis das Grab eben war und sich schließlich ein Hügel erhob.
    Eine dicke Frau, die ich kaum wiedererkannte, die aber, damals schlanker und jünger, Natalies beste Freundin gewesen war, weinte und drückte mich an sich, und ihr Mann flehte mich fast an, doch zu ihnen zu kommen. Ich war mir kaum bewußt, was ich zu ihnen sagte.
    Ich verließ den Friedhof sofort, direkt hinter dem Leichenwagen. Ich fuhr ein paar Meilen und bog dann auf den leeren Parkplatz vor einer Kirche ein, wo ich über eine Stunde wartete.
    Als ich schließlich zum Friedhof zurückfuhr, waren die Trauergäste verschwunden. Die beiden Grabstellen lagen nebeneinander. Ich setzte mich dazwischen, die eine Hand auf Sarahs Grab, die andere auf dem von Natalie. Niemand störte mich.
    Ich nahm nur meinen Kummer und eine unglaubliche Verlassenheit wahr. Am späten Nachmittag setzte ich mich in mein Auto und fuhr los.
    Ich

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