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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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namens Paul Hill abgefeuert worden. Der Mord hatte in Pensacola stattgefunden, jener Stadt, in der im Jahr zuvor Michael Griffin den Arzt Dr. David Gunn getötet hatte. R.J. saß starr da und hörte sich die grausigen Details an. Als der Gestank verbrannten Kohls sie aus ihrer Trance riß, sprang sie auf, um den Herd auszuschalten und die verschmorten Überreste in den Abfalleimer zu kippen. Dann setzte sie sich wieder und verfolgte weiter den Bericht. Der Mörder war auf das Auto des Arztes zugesprungen, als der eben vor der Klinik anhielt, und hatte die Flinte aus kürzester Distanz auf den Vordersitz abgefeuert.
    Die Fahrertür und das Fenster wurden durchlöchert, der Arzt war sofort tot. Bei ihm im Auto waren zwei freiwillige Begleiter, ein Mann Mitte Siebzig, der neben Dr. Britton saß und ebenfalls getötet wurde, und dessen Frau, die im Fond mitfuhr und so schwer verletzt wurde, daß sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte.
    Der Nachrichtensprecher meldete, daß Dr. Britton kein erklärter Abtreibungsbefürworter gewesen sei, aber in der Klinik gearbeitet habe, um Frauen eine Wahlmöglichkeit zu geben.
    Anschließend wurde ein bei einer früheren Demonstration aufgenommenes Interview mit Reverend Paul Hill gezeigt, in dem der Pfarrer Michael Griffin für die Ermordung von Dr. Gunn seine Anerkennung zollt.
    Es gab auch Interviews mit religiösen Führern der Abtreibungsgegner, die sich gegen Gewalt und Mord aussprachen. Aus dem Radi war die Stimme des Anführers einer nationalen Antiabtreibungsorganisation zu hören, der erklärte, seine Gruppe bedauere diesen Mord. Doch gleich anschließend zeigte der Sender eben diesen Mann, wie er seine Gefolgsleute dazu ermuntert, dafür zu beten, daß jeden Arzt, der abtreibe, ein Unglück ereilen möge.
    Ein Kommentator erinnerte an die Rückschläge, die die Abtreibungsgegner in den Vereinigten Staaten in jüngster Zeit hatten hinnehmen müssen. »Angesichts dieser neuen Gesetze und des Stimmungsumschwungs ist mit weiteren Gewalttaten von seiten radikaler Einzelpersonen und Gruppen innerhalb dieser Bewegung zu rechnen«, sagte er.
    R.J. saß da und hatte die Arme fest um sich geschlungen, so als könne sie nicht warm werden. Auch als die Nachrichten vorüber waren und längst eine Unterhaltungs-Show lief, starrte sie gebannt auf den flackernden Bildschirm.
    Das ganze Wochenende über rechnete sie mit Scherereien. Sie verschloß alle Türen, zog die Läden vor die Fenster, blieb, wegen der Hitze nur leicht bekleidet, im Haus und versuchte zu lesen und zu schlafen.
    Früh am Sonntagmorgen verließ sie kurz das Haus, um einen dringenden Patientenbesuch zu machen. Bei der Rückkehr verschloß sie die Tür wieder.
    Als sie am Montag zur Arbeit fuhr, parkte sie abseits der Main Street und ging zu Fuß zur Praxis. Drei Häuser vor dem Gebäude bog sie in eine Auffahrt ein. Die Hinterhöfe waren nicht durch Zäune abgetrennt, so daß sie ihre Praxis problemlos und durch die Hintertür erreichte.
    Den ganzen Tag über war sie unkonzentriert. Nachts lag sie schlaflos da, nur noch ein Nervenbündel, weil die telefonischen Belästigungen plötzlich aufgehört hatten. Bei jedem Geräusch, ob nun das alte Farmhaus ächzte oder der Kühlschrank ansprang, zuckte sie zusammen.
    Um drei Uhr stand sie schließlich auf, öffnete alle Fenster und entriegelte die Tür.
    Barfuß trug sie einen Klappstuhl nach draußen und stellte ihn neben ihre Gemüsebeete. Dann ging sie wieder ins Haus, holte die Gambe und setzte sich unter den Sternenhimmel. Sie grab die Zehen ins Gras und entlockte dem Instrument eine Chaconne von Marais, ein Stück, das sie schon seit längerem einstudierte. Es klang wunderbar in der dunklen Morgenluft, und während sie spielte, stellte sie sich vor, wie die Tiere im Wald diesen ungewohnten, rätselhaften Tönen lauschten. Sie machte Fehler, aber das störte sie nicht, sie brachte ja nur dem Salat ein Ständchen.
    Die Musik wirkte auf sie wie eine Muttransfusion, und sie fand ihre Gelassenheit wieder. Am Morgen fuhr sie zur Arbeit und parkte an der gewohnten Stelle. Auch mit ihren Patienten konnte sie wieder normal umgehen. Jeden Morgen vor der Arbeit nahm sie sich jetzt die Zeit, einen Waldspaziergang zu machen, und wenn sie nachmittags heimkam, jätete sie im Garten. Sie säte neue Buschbohnen aus und Rucola, weil der alte bereits ausgeschossen war.
    Am Mittwoch rief Barbara Eustis an und sagte ihr, die Klinik habe Freiwillige zur Verfügung, um sie abzuholen

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