Medicus 03 - Die Erben des Medicus
pro Minute und dauerten etwa fünfundvierzig Sekunden, es blieb ihr für ihre Arbeit also jeweils nur eine Pause von fünfzehn Sekunden.
Sobald sie spürte, daß eine Kontraktion nachließ, schob sie den Arm tief in die angespannte Öffnung - am Knie vorbei und an der Wade entlang.
»Ich spüre einen Knochen, es dürfte der Beckenknochen sein«, berichtete sie Greg. Und dann: »Ich habe den Huf, aber er ist unter dem Beckenknochen eingezwängt» Der starre Schwanz zuckte, vielleicht vor Schmerz, und schlug R.J. auf den Mund.
Spuckend packte sie ihn mit der linken Hand, um ihn festzuhalten. Eine neue Kontraktion kündigte sich an, und sie hatte gerade noch Zeit, den Huf zu fassen, bevor die Vaginalmuskulatur ihren Arm von den Fingerspitzen bis zum Schulteransatz wie in einen Schraubstock einklemmte. Diesmal bestand keine Gefahr, daß ihr Arm wieder ausgestoßen wurde, dazu wurde er zu fest umklammert. Ihr Handgelenk wurde gegen den Beckenknochen der Kuh gedrückt, und im ersten Augenblick blieb ihr die Luft weg vor Schmerz. Der Arm wurde sehr schnell taub, und R.J. schloß die Augen und drückte die Stirn gegen Zsa Zsas Hinterlauf. Ihr Arm steckte bis zur Schulter fest, sie war eine Gefangene, fest mit dieser Kuh verbunden. Ihr wurde schwindelig, und plötzlich überkam sie die schreckliche Vision, daß die Kuh sterben werde und man den Kadaver aufschneiden müsse, um ihren Arm zu befreien. Sie hörte nicht, wie Stacia Hinton in den Stall kam, sie hörte nur die leicht gereizte Stimme der Frau. »Was treibt denn das Mädchen da?« und als Antwort ein unverständliches Murmeln von Greg Hinton. R.J. roch Dung, die Ausdünstungen aus der Leibeshöhle der Kuh und den animalischen Geruch ihrer eigenen Angst und ihres Schweißes. Dann war die Kontraktion vorbei. Sie hatte genügend menschliche Babys auf die Welt gebracht, um zu wissen, was zu tun war, und sie zog die taube Hand bis zurm Knie des Kalbs zurück und drückte es nach hinten. Dann konnte sie daran vorbeilangen, und sie schob den Arm tiefer hinein. Als sie den Huf wieder ertastet hatte, mußte sie gegen ihre Panik ankämpfen, denn sie wollte ihre Bewegungen überstürzen, um nicht mehr in der Vagina zu stecken, wenn die nächste Kontraktion kam.
Aber sie arbeitete sorgfältig, packte den Huf, zog ihn den Geburtskanal enlang und dann aus der Vagina heraus, bis er neben dem ersten lag, wo er hingehörte. »Hey!« Greg Hinton atmete erfreut auf. »Braves Mädchen!« rief Stacia. Bei der nächsten Kontraktion tauchte der Kopf des Kalbs auf.
Hallo! begrüßte ihn R.J. stumm und entzückt. Aber sie schafften es nicht, mehr als die Vorderläufe und den Kopf aus der Kuh zu ziehen. Das Kalb steckte fest wie ein Korken in einer Flasche.
»Wenn wir nur einen Kalbszug hätten«, sagte Stacia Hinton.
»Was ist das?«
»Eine Art Winde«, sagte Greg.
»Binden Sie die Hufe zusammen!« sagte R.J. Sie ging zu ihrem »Explorer«, löste den Haken ihrer Seilwinde und zog das Kabel in den Stall.
Mit der Motorwinde ließ sich das Kalb leicht herausziehen - auch ein Argument für die moderne Technik, dachte R.J.
»Ein Stierkalb«, konstatierte Greg.
R.J. saß auf dem Boden und sah zu, wie Stacia dem kleinen Bullen Schleim und die Überreste der Fruchtblase von der Schnauze wischte. Sie brachten das Kalb zum Kopfende der Box, aber Zsa Zsa war zu erschöpft und rührte sich kaum. Greg rieb dem Neugeborenen die Brust mit trockenem Heu ab. »Das bringt die Lungen zum Arbeiten, und das ist der Grund, warum eine Kuh ihr Kalb immer mit ihrer rauhen Zunge abschleckt. Aber die Mama unseres kleinen Kerls da ist zu müde, um auch nur eine Briefmarke abzulecken.«
»Erholt sie sich wieder?« fragte R.J.
»Aber klar doch«, sagte Stacia. »In ein paar Minuten bringe ich ihr einen Kübel warmes Wasser. Das wird ihr helfen, die Nachgeburt auszustoßen.«
R.J. stand vom Boden auf und ging zum Waschbecken. Sie reinigte sich die Hände und den rechten Arm, sah aber gleich, daß sie sich hier unmöglich würde ganz säubern können.
»Sie haben... äh, Dung in den Haaren«, beme rkte Greg taktvoll.
»Nicht hinfassen! Das verschmiert nur«, sagte Stacia.
R.J. rollte das Kabel der Motorwinde auf, trug ihre Lederjacke mit spitzen Fingern zum Auto und legte sie auf den Rücksitz, so weit von sich weg wie möglich.
»Gute Nacht!«
Sie hörte kaum, wie die beiden sich bedankten. Auf dem Nachhauseweg versuchte sie, so wenig wie möglich mit der Polsterung des Autos in Kontakt zu kommen.
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