Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
eine Krankenversicherung bekommen werden, wenn er die Wahl gewinnt.«
    »Glaubst du, daß er das Versprechen auch einlösen kann?«
    »Ich bin fest überzeugt, daß er es ernsthaft versuchen wird. Er scheint der erste Politiker zu sein, dem es zu Herzen geht, daß es arme Menschen ohne medizinische Versorgung gibt, und der gesteht, daß er sich für den augenblicklichen Zustand schämt. Eine allgemeine Krankenversicherung wird deinen praktischen Ärzten das Leben leichter machen und gleichzeitig die Einkommen der Spezialisten senken. Wir müssen abwarten und sehen, was auf uns zukommt«
    Sie besprachen die finanziellen Voraussetzungen ihres Vorhabens. Nach Abzug der Schulden würde von dem Geld für das Haus an der Brattle Street nicht mehr viel übrigbleiben, die Immobilienpreise waren im Keller. Sie hatte sich sorgfältig ausgerechnet, wieviel sie brauchte, um eine Privatpraxis einzurichten und zu eröffnen und das erste Jahr zu überstehen. Es fehlten ihr knapp dreiundfünfzigtausend Dollar. »Ich habe mit einigen Banken gesprochen, und ich kann das Geld aufnehmen. Ich habe ausreichende Sicherheiten für ein Darlehen, aber sie bestehen auf einem Bürgen.« Das war eine Demütigung, denn sie bezweifelte, ob man das von Tom Kendricks auch verlangen würde.
    »Du bist dir hundertprozentig sicher, daß du genau das willst?«
    »Hundertprozentig.«
    »Dann werde ich für dich bürgen, wenn du gestattest,«
    »Danke, Dad!«
    »Einerseits macht es mich wahnsinnig, wenn ich mir vorstelle, auf was du dich da einläßt, andererseits muß ich dir gestehen, daß ich dich beneide.«
    R.J. hob seine Hand an ihre Läppen. Bei Cappuccino gingen sie gemeinsam ihre Berechnungen durch. Seiner Ansicht nach hatte sie zu knapp kalkuliert, und er meinte, sie solle zehntausend Dollar mehr aufnehmen. Sie war entsetzt über eine solch hohe Verschuldung und wehrte sich energisch dagegen, aber am Ende sah sie ein, daß er recht hatte, und war bereit, das Darlehen aufzustocken.
    »Du bist eine Kanone, meine Tochter.«
    »Du bist auch eine Kanone, mein Alter.«
    »Und wirst du auch zurechtkommen, ganz alleine da oben in den Hügeln?«
    »Du kennst mich doch, Dad! Ich brauche niemanden. Bis auf dich«, sagte sie, beugte sich über den Tisch und küßte ihn auf die Wange.

Zweiter Teil
Das Haus an der Grenze

Metamorphose
    R.J. lud Tessa Martula zum Mittagessen ein. Tessa weinte in ihren Hummertopf und war abwechselnd bockig und verzweifelt »Ich weiß nicht, warum Sie hier alles hinschmeißen und davonlaufen müssen«, sagte sie. »Sie hätten mein Aufzug sein können, die Berufsleiter höher und höher.«
    »Sie sind eine hervorragende Sekretärin, und Sie werden weiterkommen. Und ich laufe nicht davon«, sagte R.J. geduldig, »sondern auf einen Ort zu, der besser für mich ist - glaube ich zumindest«
    Sie versuchte, so zuversichtlich zu sein, wie sie klang, aber es war, als würde sie noch einmal den Schulabschluß machen, so viele Ängste und Unsicherheiten trieben sie um. In den letzten Jahren hatte sie nicht oft Geburtshilfe geleistet, und nun fühlte sie sich einer solchen Situation nicht ganz gewachsen. Lew Stanetsky, der Chef der Geburtshilfestation, gab ihr gute Ratschläge, allerdings auf eine Art, die eine Mischung aus Fürsorge und Belustigung erkennen ließ. »Dann wollen Sie also Landärztin werden, was? Also, wenn Sie da draußen am Ende der Welt Babys entbinden wollen, müssen Sie einen Gynäkologen bei der Hand haben. Das Gesetz schreibt vor, daß Sie einen Gynäkologen hinzuzuziehen haben, falls es Komplikationen gibt, die einen Kaiserschnitt, eine Zangengeburt oder eine Vakuumextraktion erfordern.«
    Er erlaubte R.J., neben den Praktikanten und Assistenten viele Stunden im Kreißsaal des Krankenhauses zu verbringen, einem großen Raum voller Geburtsstühle, auf denen pressende, schwitzende, oft auch fluchende Großstadtfrauen saßen, überwiegend Afroamerikanerinnen. Bei dieser Gelegenheit konnte sie ausgiebig zwei lange Reihen bräunlicher und violetter Vulven studieren, die sich unter der natürlichen Gewalt des Geburtsaktes dehnten.
    Für Tessa verfaßte sie ein fundiertes und lobendes Zeugnis, aber das war gar nicht nötig. Ein paar Tage später kam Tessa zu ihr und strahlte über das ganze Gesicht »Sie kommen nie drauf, für wen ich demnächst arbeiten werde. Für Dr. Allen Greenstein.«
    Wenn die Götter grausam sein wollen, dachte R.J., dann kosten sie es bis zur Neige aus. »Und, wird er dann auch hier

Weitere Kostenlose Bücher