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Medicus 03 - Die Erben des Medicus

Titel: Medicus 03 - Die Erben des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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so wie sie bei Samantha gesehen hatte, daß diese sich über Rassismus erhaben fühlte.
    Schon früh in ihrer Ausbildung hatte sie ein ausgeprägtes Talent als Diagnostikerin bewiesen, und sie betrachtete gern jeden Patienten als Rätsel, das sie mit ihrer Intelligenz und ihrem Wissen lösen mußte. Als sie eines Abends mit einem älteren männlichen Herzpatienten namens Bruce Weiler scherzte, nahm sie seine Hände und drückte sie.
    Sie konnte sie nicht mehr loslassen.
    Es war, als wäre sie mit dem Patienten verbunden über ... über was? Benommen registrierte sie eine plötzliche Gewißheit, die sie Augenblicke zuvor noch nicht gehabt hatte. Am liebsten hätte sie Mr. Weiler eine Warnung zugerufen. Statt dessen murmelte sie nur eine verworrene Nettigkeit und brachte die folgenden vierzig Minuten damit zu, über seinen Akten zu brüten und ihm immer wieder Puls und Blutdruck zu messen und sein Herz abzuhören. Die Nerven gehen mit mir durch, sagte sie sich, denn nichts in Bruce Weilers Krankenblatt oder seinen Vitalfunktionen wies darauf hin, daß sein genesendes Herz etwas anderes als stark war und täglich stärker wurde.
    Trotzdem war sie sich sicher, daß er sterben würde.
    Zu Fritzie Baldwin, dem Stationsarzt, sagte sie nichts. Sie konnte ihm nichts sagen, was einen Sinn ergeben hätte, und er hätte sich wüst über sie lustig gemacht.
    Aber in den frühen Morgenstunden barst Mr. Weilers Herz wie eine schadhafte Röhre, und er war tot. Einige Wochen später hatte sie ein ähnliches Erlebnis. Besorgt und zugleich fasziniert erzählte sie ihrem Vater von den Vorfällen. Professor Cole nickte, und sie konnte ein interessiertes Aufleuchten in seinen Augen sehen.
    »Manchmal scheinen Ärzte einen sechsten Sinn zu besitzen, der sie vorausahnen läßt, wie ein Patient reagiert«
    »Ich habe das schon einmal erlebt, lange bevor ich Ärztin wurde. Ich wußte plötzlich, daß Charlie Harris sterben würde. Ich wußte es mit absoluter Sicherheit.«
    »In unserer Familie gibt es eine Legende«, sagte er zögernd, und R.J. stöhnte innerlich auf, denn sie war nicht in der Stimmung für Familienlegenden. »Es heißt, daß über die Jahrhunderte hinweg einige der Cole-Ärzte den nahenden Tod vorhersagen konnten, indem sie den Patienten die Hände hielten.«
    R.J. schnaubte verächtlich.
    »Nein, das meine ich ernst. Sie nannten es die Gabe.«
    »Also komm, Dad. Das ist doch Aberglauben! Und zwar noch aus den Tagen, als Ärzte Molchsaugen und Krötenzehen verschrieben. Ich glaube nicht an Magie.«
    »Von Magie war nicht die Rede«, sagte er nachsichtig. »Ich meine, einige in unserer Familie wurden mit besonderen sensorischen Fähigkeiten geboren, die ihnen gestatteten, Informationen zu empfangen, die für die meisten von uns nicht wahraehmbar sind. Angeblich hatten mein Großvater Robert Jefferson Cole und mein Urgroßvater Robert Judson Cole, die beide als Landärzte in Illinois praktizierten, diese Gabe. Sie kann Generationen überspringen. Es heißt, einige meiner Cousins hätten sie besessen. Ich habe zwar die hochgeschätzten Familienerbstücke, Rob J.s Skalpell, das meinen Schreibtisch schmückt, und die Gambe meines Urgroßvaters bekommen, aber die Gabe wäre mir lieber gewesen.«
    »Dann ... hast du so etwas also nie erlebt?«
    »Natürlich weiß ich meistens, ob ein Patient überlebt oder stirbt Aber nein, ein sicheres Wissen um den nahen Tod ohne irgendwelche Anzeichen oder Symptome hatte ich noch nie. Natürlich«, ergänzte er beiläufig, »besagt die Legende auch, daß die Gabe durch den Gebrauch von Stimulantien abgestumpft oder zerstört wird.«
    »Damit scheidest du aus«, sagte R.J. Jahrelang, bis die Ärztegeneration, der er angehörte, sich eines Besseren besann, hatte Professor Cole sich häufig den Genuß einer guten Zigarre gestattet, und auch heute noch belohnte er sich jeden Abend mit einem guten Single Malt Whisky.
    R.J. hatte während der High-School ein paarmal Marihuana probiert, sich aber nie das Rauchen in der einen oder der anderen Form angewöhnt. Wie ihr Vater mochte sie Alkohol.
    Sie hatte es zwar nie so weit kommen lassen, daß er ihre Arbeit beeinträchtigte, aber in Zeiten starker Belastung empfand sie einen Drink als ausgesprochene Wohltat, die sie sich gerne gönnte.
    Gegen Ende des dritten Jahres ihrer Assistenzzeit wußte R.J., daß sie ganze Familien behandeln wollte, Menschen jedes Alters und beiderlei Geschlechts. Aber um das angemessen tun zu können, mußte sie mehr über die

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