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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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einzuwenden wie gegen jene Gefühle, die sich zwischen ihr und Wolfhart Brookinger entwickelt hatten. »Und du hast insofern Recht, als ich mir nicht anmaßen sollte, den ersten Stein zu werfen.«
    »Es ist eine ernsthafte Sorge, die mich umtreibt«, begann Seriféa nun aufs Neue von dem zu erzählen, was ihr ursprünglich auf dem Herzen gelegen hatte. Maria erhob sich unterdessen von ihrem Stuhl und klappte das große Buch zu, in dem die Warenein- und -ausgänge der letzten Zeit verzeichnet waren. Ihre Hand ruhte noch ein paar Augenblicke auf dem dicken Lederfolianten, in dessen Einband ein kunstvoll verziertes lateinisches L neben einem ähnlich verzierten griechischen Lambda stand. Das war das Zeichen des Hauses di Lorenzo, und Marias Vater hatte diese Folianten immer im Dutzend von einem Buchbinder anfertigen lassen, der seine Werkstatt in Sichtweite der Markian-Säule hatte, die auf halbem Weg zwischen dem die ganze Stadt durchziehenden Fluss Lykos und der Apostelkirche inmitten eines Handwerkerviertels lag. Beinahe sah es so aus, als müsste sich Maria an diesem Buch und dem Zeichen regelrecht festhalten.
    Seriféa kam etwas näher. Ihre Handflächen hielt sie gegeneinander gepresst – fast wie im Gebet. »Natürlich habe ich diese eigenartigen Schriften bemerkt, mit deren Studium sich Euer Bruder beschäftigte. Mit manchen seiner Ansichten hat er sicher jeden Rechtgläubigen provoziert, aber ich war lange Zeit blind für die schreckliche Wahrheit, die dahinter steht!«
    »Was für eine Wahrheit meinst du, Seriféa? Dass mein Bruder ketzerische Ansichten vertritt, ist allgemein bekannt – und er selbst tut nicht das Geringste, um es zu verbergen! Ganz im Gegenteil! Es ist kein Geheimnis und wahrscheinlich schon ein Gesprächsthema bei all unseren Freunden und Bekannten.«
    »Es steckt mehr dahinter als nur die Lust an der Provokation oder die Verzweiflung an schweren Schicksalsschlägen, die einen unter Umständen auch am Glauben selbst zweifeln lassen … Herrin, ich bin ihm heimlich gefolgt, als er sich mit jenen Nachtgestalten traf, deren Gesellschaft er in letzter Zeit sogar der meinen vorgezogen hat. Und dabei bin ich auf eine Gruppe von vermummten Gestalten gestoßen, die in den Ruinen des alten Hippodroms etwas aufführten, was wie die satanische Parodie einer Messe aussah. Sie riefen Luzifer an und bezeichneten ihn als ›Zwilling Gottes‹! Und gegenseitig bezeichneten sie sich als ›Bruder‹ und ›Cherubim‹!«
    Maria schluckte schwer. »So genau wusste ich das alles nicht, auch wenn ich manches vielleicht geahnt habe.«
    »So spricht man auch schon in Euren Kreisen von diesem Orden der Cherubim, der eine Herrschaft des gefallenen Engels Luzifer errichten will, weil Gott keine Macht mehr habe?«
    »Ich habe mich ehrlich gesagt nie so genau mit dem Gedankengut beschäftigt, das in den Büchern steht, die mein Bruder neuerdings liest!«
    »Dann solltet Ihr das vielleicht nachholen, Herrin. Denn das, was ich da sah, war nicht nur Ketzerei! Es war …« Seriféa fehlten für einen Augenblick die Worte dafür. »… blankes Heidentum!«, stieß sie schließlich hervor. »Vermutlich haben der Schwarze Tod und all das Unheil, das über diese Stadt gekommen ist, das Schlechteste in den Menschen hervortreten lassen. Den Aberglauben und die Furcht zum Beispiel, aus denen solche Dinge entstehen! Herrin, ich sah Euren Bruder an einem blutigen Tieropfer teilnehmen, und sie verbrannten Gewächse, deren Rauch sie veränderte und geradezu zu einem rasenden Wahn brachte! Ihr müsst die Veränderungen an Eurem Bruder doch ebenfalls bemerkt haben! Sie sind dauerhaft und gehen nicht mehr ganz fort, auch wenn die eingeatmeten Dämpfe längst ausgeschwitzt sind.« Sie holte tief Luft. »Habe ich Euch mit der Wahrheit entsetzt, Herrin?«
    »Das hast du. Trotzdem möchte ich, dass du fortfährst!«, verlangte Maria. Dabei fragte sie sich, ob sie nicht schon viel zu lange die Augen zugemacht hatte. Allein, was hätte sie schon tun können? Marco schien fest entschlossen gewesen zu sein, jeden Einfluss abzuschütteln, der bisher auf ihn eingewirkt und ihn geprägt hatte.
    »Ich habe das Gefühl, dass ich ihn nicht mehr erreiche. Er hat sich innerlich vor mir verschlossen – selbst in den Augenblicken, in denen wir uns sehr nahestanden.« Seriféa errötete leicht, während sie das sagte. Hauptsächlich vor Scham, aber es hatte sie wohl tatsächlich auch ein tiefes inneres Unbehagen erfasst. Nur ihre Verzweiflung

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