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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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ihr Haar zu frisieren, er war fein genug, um Ratten die Flöhe aus dem Fell zu kämmen.
    »Ihr seht ja selbst, welche Tiere krank und schwach sind. Die müsst Ihr nehmen, denn ihre Flöhe enthalten die Essenz, nach der wir suchen.«
    Es war nicht schwierig, eines der Tiere zu ergreifen. Sie leisteten kaum Widerstand. Manche, weil sie schon halbtot waren und der blutige Auswurf ihnen schon zu den Mäulern heraustropfte. Andere, weil sie einfach jegliche Scheu verloren hatten, was man vor Ausbruch einer Seuche immer wieder bei den Nagetieren hatte beobachten können.
    Wolfhart nahm die Ratte in den kräftigen Griff seiner Linken. Cagliari hatte unterdessen den Kübel geöffnet, und Wolfhart begann damit, die Rattenflöhe in dessen Inneres hineinzukämmen.
    »Gebt unbedingt darauf Acht, dass die Flöhe nicht durch die Löcher Eurer Schnabelmaske dringen!«, verlangte Cagliari.
    »Wie soll ich das tun?«
    »Indem Ihr den Kopf immer etwas zur Seite dreht und das Atemloch Eurer Schnabelmaske nicht in ihre Nähe haltet! Sie springen sonst vielleicht einfach durch Euer Maskenloch, und man kann in Kürze die Symptome des Schwarzen Todes an Euch studieren!«
    Wolfhart hatte die erste Ratte abgekämmt und griff nach einer zweiten. In dem mit Pergament ausgelegten Kübel sammelten sich kleine schwarze Punkte, die sich bewegten. Unwillkürlich musste Wolfhart an die »unsichtbaren« Insekten denken, von denen man glaubte, sie könnten die Krankheit auslösen, indem sie in Mund und Nase ihrer Opfer eindrangen. An diesem Aberglauben war also immerhin etwas Wahres dran.
    »In den Wundsekreten der Kranken, im Blutauswurf und in denselben Flüssigkeiten der Ratten ist zweifellos die Essenz, nach der Ihr sucht«, meinte Wolfhart, als er bereits die vierte Ratte von ihren Flöhen freikämmte. »Aber ich verstehe nicht, wie Ihr zu der Überzeugung gelangt seid, diese Substanz könnte auch in den Flöhen enthalten sein.«
    »Sie muss dort enthalten sein!«, beharrte Cagliari. »Nun konzentriert Euch! Wir brauchen so viele dieser kleinen Wesen, wie wir bekommen können …«
    »Ist es nur eine Vermutung? Oder gibt es wirklich einen Beweis dafür, dass Eure These stimmt?«
    »Ihr habt eine unangenehme Eigenschaft, Wolfhart. Ihr fragt zu viel.«
    »Verzeiht, Meister Cagliari.«
    »Es ist schon in Ordnung. Ihr müsst etwas Nachsicht mit mir haben, Wolfhart.«
    »Nachsicht? Inwiefern?«
    »Ich bin es gewöhnt, Schwachsinnigen wie den Zwillingen ihre Arbeitsanweisungen zu geben – oder einem sehr einfachen Gemüt wie Timon dem Entstellten, der in seinem Leben nie ein Buch gelesen hat und dessen Griechisch so falsch ist, als wäre er ein Ausländer – obwohl er in dieser Stadt als reinblütiger Rhomäer geboren wurde und nie eine andere Sprache gesprochen hat!«
    »Was ist mit Darenius?«
    »Der ist eine rühmliche Ausnahme. Es hat freilich lange gedauert, bis ich ihm genug beigebracht hatte, um sich mit ihm wie mit einem gebildeten Menschen unterhalten zu können.«
    »Dann möchte ich ehrlich gesagt nicht wissen, wie Euer Urteil über mich ausfällt.«
    »Nun, ich bin nicht so leicht zu beeindrucken wie Euer alter Lehrmeister Magister Munsonius, aber bis jetzt stellt Ihr Euch ja ganz geschickt an. Wahrscheinlich werde ich Eure Fragen ertragen müssen – in der Hoffnung, dass Ihr schnell lernt und ich mit Eurer Hilfe dieser Plage dann irgendwann ein Ende bereiten kann.«
    »Ich fürchte, ich habe einfach eine Veranlagung dazu, meiner Wissbegier durch viele Fragen Ausdruck zu geben.«
    »Manchmal lassen sich selbst üble Anlagen einem guten Zweck zuführen, Wolfhart!«
    »Wenn Ihr das sagt, wird es sicher stimmen!«
    Die Ratte, die Wolfhart nun vom Boden aufnahm, versuchte, in das Handstück seiner Montur zu beißen. Mit aller Kraft rammte sie ihre spitzen Nagezähne in das dicke Krokodilleder, es war aber unmöglich für sie, es zu durchdringen. Als Wolfhart anschließend mit beruhigenden Bewegungen ihr die Flöhe aus dem Fell zu kämmen begann, gab sie ihren Widerstand endgültig auf.
    »Ich bin mir deswegen so sicher, dass die Essenz des Schwarzen Todes auch in den Flöhen enthalten ist, weil ich deren krankheitsauslösende Wirkung ausprobiert habe.«
    Wolfhart hielt in seiner Arbeit inne, woraufhin es der Ratte gelang, sich seinem Griff zu entwinden. Sie sprang zu Boden, rollte sich einmal um die eigene Achse und kroch dann davon.
    »Ausprobiert?«, echote er, Schlimmes ahnend. »Was meint Ihr damit?«
    »Genau das, was ich sage. Nun seid

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