Medicus von Konstantinopel
Lakonidas?«, erkundigte Maria sich noch. »Glaubt Ihr, dass aus seiner Festnahme noch Ungemach für das Haus di Lorenzo erwachsen kann?«
»Ich habe gehört, dass Lakonidas bereits tot sein soll. Man hat ihn höchstwahrscheinlich zu schlimm gefoltert, was der Tatsache geschuldet ist, dass man ihn am Hof als Hochverräter ansieht. Und bereits vor dem Attentat auf den Patriarchen war man dort mehr als nervös.«
»Habt Ihr eine offizielle Bestätigung dafür?«
»Noch nicht. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir in dieser Sache bald Klarheit bekommen werden.«
»Tut mir nur einen Gefallen, Davide.«
»Und der wäre?«
»Haltet Jakob Forlanus aus der Sache heraus!«
»Aber Maria! Er ist der Rechtsbeistand Eures Vaters gewesen!«
»Er ist es allerdings noch nicht lange! Zuvor hatte mein Vater andere Advokaten, die ihn beraten haben. Vielleicht kann man ja einen von ihnen wieder für unser Haus gewinnen. Dieser Forlanus verfolgt offenbar eigene Interessen, die ich noch nicht so recht zu durchschauen vermag.«
»Ihr habt ihn in der Hagia Sophia ganz schön vor den Kopf gestoßen, Maria.«
»Das mag sein. Doch ich hatte keine andere Wahl, als klar mit ihm zu reden.«
»Ihr solltet nur bedenken, dass Ihr Euch nicht zu viele Feinde auf einmal machen dürft. Die gekränkte Eitelkeit eines Jakob Forlanus könnte uns eines Tages noch teuer zu stehen kommen!«
Die Zeit verrann. Die Tage gingen einer wie der andere dahin, und Maria hatte das Gefühl, dass sich in ihrem Leben nichts in eine erkennbar positive Richtung voranbewegte. Vielmehr kam es ihr so vor, als würde sie einem uralten Bauwerk dabei zusehen, wie es langsam zerfiel. Diesen Eindruck hatte man nicht nur, wenn man die Stadt als Ganzes betrachtete, sondern auch, wenn man ausschließlich auf das Haus di Lorenzo schaute.
Marco war kaum noch im Kontor. Und wenn doch, so schlief er tagelang und schien unter dem Einfluss von berauschenden Substanzen zu stehen. Selbst Seriféa mochte sich mittlerweile Sorgen machen. Sie suchte Maria einmal in ihrer Kammer auf. »Darf ich offen zu Euch sprechen?«, fragte sie und sah ihre Herrin dabei unverwandt an.
»Ja, tut dies – aber macht Euch darauf gefasst, dass ich mit derselben Offenheit zu antworten gedenke.«
»Ja, das muss vielleicht so sein«, stimmte Seriféa zu. »Euer Bruder hat mit einer Gruppe von Menschen Umgang, die ihn sehr stark beeinflussen. Es ist eine Art Geheimgesellschaft, die eine verschworene Kirche Satans zu sein scheint. Eine Vereinigung von Ketzern und Hexengläubigen – ich kann es nicht anders sagen, aber ich nehme an, dass Euch das nicht völlig verborgen geblieben ist!«
»Nein, das ist es nicht.«
»Unser Zweig der Familie kommt aus einem Gebiet unter muslimischer Herrschaft. Da müssen Christen zusammenhalten und können sich nicht immer wieder untereinander aufspalten, sodass am Ende hundert Bekenntnisse da sind, die sich gegenseitig schlimmer bekriegen, als sie gegen die Heiden vorzugehen wagten. Außerdem kommen wir aus einer kleinen Stadt, in der man viele Dinge nicht kennt, die an einem Ort wie Konstantinopel üblich zu sein scheinen. Insbesondere viele sündige Dinge, von denen ich nie geahnt hätte, dass es sie gibt.«
»Dann nehme ich an, ist es dort, wo du herkommst, nicht üblich gewesen, dass eine Bedienstete mit ihrem Herrn das Bett teilt?«, fragte Maria und bereute schon im nächsten Moment die Schärfe im Ton, mit der sie diese Gegenfrage gestellt hatte, doch sie hatte sich diese Bemerkung einfach nicht verkneifen können. Darüber hinaus war für Maria auch noch nicht wirklich fassbar, was ihr Gegenüber nun eigentlich von ihr wollte. Welche Absicht verfolgte sie damit, hier und jetzt über die dunkle Seite von Marco di Lorenzo zu sprechen?
Seriféa hielt Marias Blick stand und sagte ruhig: »Ich glaube, wir wissen beide, dass Liebe manchmal sehr ungewöhnliche Wege geht und dass es sein kann, ein derart mächtiges Gefühl zu empfinden, dem man sich nicht entziehen kann. Das mag auch gegen jede Vernunft oder jeden Standesdünkel sein.«
Maria schluckte.
Ja, das wusste sie nur zu gut, ebenso wie ihr natürlich klar war, dass es einfach nur dumm und unbedacht von ihr gewesen war, Seriféa auf diese Weise anzuklagen. Aber Worte ließen sich nicht zurückholen.
»Ja, das verstehe ich tatsächlich«, gab Maria nun in einem viel sanfteren und versöhnlicheren Tonfall zu. Schließlich gab es gegen die Verbindung zwischen Marco und Seriféa so viel oder so wenig
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