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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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innere Wesen des Schwarzen Todes – und wer das in destillierter, konzentrierter Form zu sich nimmt, müsste am nächsten Tag in seinem blutigen Auswurf liegen und tot sein!«
    Es war nicht der erste und auch keineswegs der heftigste Disput zwischen Darenius und Meister Cagliari. Wolfhart hörte jedes Mal mit äußerstem Interesse zu. So erfuhr er häufig Dinge, über Cagliari und seine Versuche, die ihm bisher noch niemand offenbart hatte und die man ihm möglicherweise ursprünglich auch niemals hatte offenbaren wollen. Aber in der Hitze ihrer Wortgefechte nahm keiner der beiden darauf besondere Rücksicht, dass sie nicht allein waren oder dass nicht länger ausschließlich Schwachsinnige und Ungebildete zu Ohrenzeugen wurden, sondern mit Wolfhart Brookinger ein Mann der Medizin, der in Erfurt studiert hatte.
    »Es muss gehen!«, sagte Cagliari, als wollte er sich selbst darauf geradezu einschwören. »Es muss gehen! Wenn man Ameisen auskocht – gleichgültig ob tot oder lebendig –, was bekommt man dann? Ihr innerstes Wesen! Ihre Säure nämlich! Warum sollte das bei Rattenflöhen anders sein? Nur weil sie besser springen können?«
    »Die Ameise wird in der Heiligen Schrift wegen ihres Fleißes gelobt – der Floh wird nicht mal erwähnt! Vielleicht ist das der Grund!«, gab Darenius mit dem für ihn typischen, sehr scharf-ironischen Unterton zurück. »Ich weiß es nicht, Meister! Ich weiß es so wenig wie Ihr, gleichwohl müssen wir doch den Tatsachen ins Auge sehen und können nicht immer wieder dieselben Dinge tun, in der Hoffnung, dass sie irgendwann zu dem Ergebnis führen, von dem wir uns wünschen, dass es einträte!«
    »Bedauerlicherweise habt Ihr in Eurer Ordenszeit wohl nie ein Schweigegelübde abgelegt!«, knurrte Cagliari.
    »Und wenn es so wäre! Ich würde mich jetzt gewiss nicht mehr daran gebunden fühlen!«
    Als die Flöhe ausgekocht waren, blieb ein undefinierbarer Rückstand am Fuß des Kolbens. Cagliari nahm den Kolben und ging zu einem weiteren Tisch, der an der Wand stand. Zwei andere Glaskolben ähnlichen Inhaltes befanden sich dort. Ein Dutzend von ihnen hatte man in einer ordentlichen Reihe aufgestellt. Gusseiserne Halter, die wohl – bevor man sie entsprechend verbogen hatte – eigentlich als Kerzenständer gedient hatten, sorgten dafür, dass diese Behältnisse nicht auf ihren runden Unterseiten herumkugelten.
    »Mehr Licht!«, verlangte Cagliari, und es dauerte einen Augenaufschlag, bis Wolfhart begriffen hatte, dass er mit dieser Aufforderung gemeint war.
    Wolfhart setzte eine der Öllampen näher an die Kolben heran und versetzte außerdem zwei an den Wänden brennende Fackeln in andere, besser positionierte Halterringe.
    »So, Meister?«
    »Schaut selbst, ob Ihr etwas sehen könnt!«, gab Cagliari mürrisch von sich. »Ach, sehen ! Was rede ich? Erkennen natürlich! Denn darum geht es doch! Nicht nur hinzusehen, sondern Erkenntnisse zu gewinnen. Das größte Geheimnis liegt oft vollkommen offenbar vor uns auf dem Tisch, und wir erkennen es einfach nicht. Die Blindheit des menschlichen Verstandes ist das Problem, Wolfhart – kein quälerischer Schöpfer, der die Welt so verrätselt hätte, dass wir sie nicht erkennen könnten! Mitnichten! Sie ist manchmal so einfach gestrickt, dass man auf den ketzerischen Gedanken kommen könnte, dass Gott gar nicht an jedem Detail beteiligt gewesen wäre.«
    »Und worauf sollte ich Eurer Ansicht nach achten, Meister Cagliari?«, wollte Wolfhart – etwas ratlos geworden – wissen.
    »Das, mein lieber junger Medicus, ist die eigentlich entscheidende Frage! Denn wenn man sie richtig beantwortet, kommt die Erkenntnis von selbst. Es fallen Euch dann gewissermaßen die Schuppen von den Augen – oder welchen Eurer Sinne Ihr auch gerade für Euer Studium benutzt!« Er streckte die Hand aus. »Dies ist das Destillat vom Blut eines Pesttoten, dies sein Auswurf, dies sind die Rückstände der eitrigen Flüssigkeit in seinen Pestbeulen, und am Schluss haben wir die verkohlten Fasern seines Hemdes! Vergleicht es mit dem, was von den Flöhen geblieben ist! Wir wissen doch, dass man durch all diese Dinge krank werden kann – und zwar auch allein und für sich genommen!«
    »Das habt Ihr alles an Gefangenen ausprobiert?«, fragte Wolfhart nach.
    »Und vorher an Ratten. Manches hat sich durch die Grausamkeit des Zufalls oder die Unvorsichtigkeit eines meiner Helfer an Erkenntnisgewinn ergeben. Doch darauf kommt es jetzt nicht mehr an.«
    »Worauf kommt

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