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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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würde er allmählich unempfindlicher werden, so wie es seine Mitstreiter im Kampf gegen diesen Dämon der Krankheit inzwischen zweifellos waren.
    In einem vergleichsweise kleinen Nebenraum, in dem die Monturen aufgehängt wurden, solange man sie nicht in Gebrauch hatte, machten sich die beiden Männer an diesem Tag daran, sich aus dieser zweiten Haut langsam herauszuschälen. Das Erste war immer, die ölgetränkten Tücher von den Armen und Beinen herunterzuwickeln und anschließend aufzurollen. Man legte den Stoff hernach jedes Mal in ätherische Öle ein, sodass man sie später erneut verwenden konnte.
    Eigentlich wäre dieses Einlegen die Aufgabe des hinkenden Lazaros, doch der war zurzeit zusammen mit den Zwillingen und dem Entstellten mit einer der Barken unterwegs. Wolfhart hatte aus den Gesprächen mitbekommen, was ihr Ziel war. Offenbar gab es nicht weit von Cagliaris Gewölbe entfernt ein Verlies, in dem die zum Tode Verurteilten untergebracht worden waren, die Cagliari versuchsweise pestverseuchten Sekreten oder Flöhen ausgesetzt hatte, um die Wirkung untersuchen zu können.
    Welche Aufgabe die Helfer des Pest-Medicus nun eigentlich in dem Verlies erfüllen mussten, hatte Wolfhart nicht richtig mitbekommen, nur dass Cagliari Lazaros und die anderen mit Reinigungsutensilien auf den Weg geschickt hatte: mit persischer Seife, Wasserkübeln, Besen und Lappen.
    Wolfhart hatte sich vorgenommen, Cagliari noch nach Einzelheiten zu fragen, aber bis jetzt war dazu noch keine Gelegenheit gewesen. Doch gerade eben hatte Cagliari von Dingen gesprochen, die Wolfhart noch weit mehr interessierten als dieses Verlies und die Aufgabe der Gehilfen.
    »Ihr spracht von den nächsten Schritten, die Ihr in aller Klarheit vor Euch seht«, erinnerte Wolfhart den Pestarzt an seine eigenen Worte.
    Die Antwort war zunächst nur Schweigen – bis Cagliari sich schließlich teilweise aus seiner Montur herausgeschält und zumindest das Kopfstück abgesetzt hatte. Sein Kopf war hochrot. Die Wangen wirkten eingefallen, und unter seinen tiefliegenden Augen hatten sich so dunkle Ringe gebildet, dass man ihn beinahe selbst für krank halten konnte.
    »Habt Ihr schon einmal davon gehört, wie Feuer am wirkungsvollsten bekämpft werden kann?«, antwortete er nun mit einer Gegenfrage.
    »Ich bin Medicus – und der letzte Brand in einer Stadt, dessen ich ansichtig wurde, betraf nur die Scheune eines Mietstalls. Man löschte es auf ganz herkömmliche Weise – mit Wasser aus einem nahen Brunnen.«
    »Nun, in den Dörfern namens Erfurt oder Lübeck, in denen Ihr bisher gelebt habt, mag das reichen. In einer derart großen Stadt wie Konstantinopel können Brände indessen leicht außer Kontrolle geraten. Ein einzelner Hausbrand kann ein ganzes Viertel vernichten, und wenn der Wind es übel mit uns meint, gibt es kein Halten mehr für die Flammen. Dann hilft nur noch ein Gegenfeuer.«
    Wolfhart warf einen etwas verwirrten Blick auf Meister Cagliari. Worauf wollte der Pest-Medicus jetzt hinaus? Den eigentlichen Gegenstand umkreiste er offenbar noch. »Es tut mir leid, doch ich vermag nicht zu erkennen, was ein Brand, so schlimm er auch sein mag, mit der Pest zu tun hat!«
    »Feuer bekämpft man mit Feuer, das Böse mit den Mitteln des Bösen – und den Schwarzen Tod möglicherweise mit seiner eigenen Kraft!«
    »Ich fürchte, Ihr erlebt mich eben als einen begriffsstutzigen Studenten, der nicht im Mindesten in der Lage ist, den weisen Worten seines Magisters zu folgen«, gab Wolfhart vorsichtig zu.
    Er hatte inzwischen auch sein Kopfstück und eins der Handstücke abgelegt. Weil seine Kleidung unter der Montur schweißnass geworden war, fröstelte es ihn allein deshalb. Dafür gab es jedoch noch einen anderen Grund, denn die Worte seines Meister-Medicus erinnerten Wolfhart auf eine ganz eigenartige Weise an die hochmütigen und zynischen Reden, die er Marco di Lorenzo hatte schwingen hören. Aber nein!, dachte er. Es war unmöglich, dass diese beiden Männer das Gleiche oder auch nur etwas Ähnliches zum Ausdruck bringen wollten. Wolfhart konnte und wollte sich das jedenfalls einfach nicht vorstellen.
    »Wenn man die Essenz des Schwarzen Todes wirklich isolieren könnte und sie im Anschluss in kleinster Dosis einem Kranken gäbe, dann würde sich die Kraft dieses Übels gegen sich selbst wenden!«
    »Es gibt meiner Ansicht nach keinen Grund, das anzunehmen«, erwiderte Wolfhart.
    »Dann müsst Ihr noch viel lernen.«
    »Das wäre so, als würde

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