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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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es Eurer Ansicht nach denn an?«
    »Auf das Gemeinsame! Wolfhart, es muss etwas Gemeinsames in all diesen Substanzen sein, und wir haben es bislang nur nicht gefunden! Kocht Ameisen aus und tut dasselbe mit Brennnesseln – Ihr werdet dieselbe Art von Säure als Rückstand finden! Hier will sich das Gemeinsame hingegen einfach nicht erschließen lassen!«
    »Ihr könnt es ja so machen wie mit der Ameisensäure«, meinte Darenius ätzend. »Verdünnt die zurückbleibende Substanz auf ein ungefährliches Maß mit Wasser und prüft den Geschmack! Vielleicht ergibt sich ja dann eine Gemeinsamkeit. Allerdings muss ich Euch sagen, dass mein Geschmackssinn durch die karge Kost im Kloster sehr gelitten hat und ich daher wohl ausscheide, um in diesem Fall Eure These zu beweisen!«
    »Euer Spott mag Euch im Halse stecken bleiben, Darenius!«, murmelte Cagliari. Unter der Tischplatte war eine Lade angebracht. Aus dieser holte er ein doppeltes Augenglas hervor. Er hielt es sich vor die Sehschlitze seiner Maske und betrachtete damit die Rückstände in den Kolben.
    »Versucht es damit einmal, Wolfhart. Es ist beste Nürnberger Augenglaserarbeit, und ich selbst habe sie oft genug benutzt, wenn ich über Büchern saß, die mit schwachen Bleistiften und in kleiner Schrift geschrieben worden waren.«
    Auch Wolfhart betrachtete nun einen Kolben nach dem anderen durch das Augenglas. Dessen Wirkung, alles etwas größer erscheinen zu lassen, als es tatsächlich war, ließ Wolfhart zwar ein paar Einzelheiten der Rückstände besser erkennen – doch was für eine Gemeinsamkeit es nun zwischen all diesen Rückständen gab, wollte ihm gleichfalls nicht aufgehen.
    »Ihr spracht vorhin davon, wir stünden vor einem entscheidenden Schritt«, erinnerte sich Wolfhart. »Was habt Ihr damit gemeint?«
    »Habe ich das wirklich gesagt?«, verleugnete der Pest-Medicus nun sogar seine eigenen Worte.
    »Er meinte wohl immer denselben Schritt, den er einfach nicht wagt, denn der bestünde darin, diese Versuche abzubrechen und in einer anderen Richtung weiterzuforschen«, meldete sich Darenius ungefragt zu Wort.
    »Ja, es ist wahr, wir stehen vor einem entscheidenden Schritt, und leider ist es uns unmöglich, ihn zu gehen – und das, obwohl die Schritte, die darauf folgen müssen, schon so klar vor meinem inneren Auge zu sehen sind, dass es mich einfach ungeheuer schmerzt, hier, an dieser Stelle, verharren zu müssen.«
    »Was wären denn diese nächsten Schritte?«, fragte Wolfhart. »Ihr scheint ja tatsächlich einen sehr weitreichenden Plan zu haben!«
    Selbst unter der dicken Montur war zu sehen, wie Meister Cagliari tief durchatmete. Einem qualvollen Seufzen gleich hob und senkte sich sein Brustkorb, und der Laut, der dabei unter der Maske hervorkam, erinnerte Wolfhart an ein fiebriges Tier. »Darenius wird die hier noch anfallenden Arbeiten allein schaffen«, erklärte Cagliari dann. »Ich glaube, es ist der Zeitpunkt gekommen, Euch auch in die letzten Geheimnisse unseres Werkes einzuweihen.«
    »Geheimnisse?«, echote Wolfhart.
    »Kommt mit. Ich werde Euch erklären, was ich meine. Zuvor will ich mich jedoch hierfür von dieser Montur befreien. Ihr solltet es mir gleichtun!«
    Fausto Cagliari hatte die Montur seit fast einer Woche nicht abgelegt. Selbst zum Schlafen nicht, wenn er für kurze Zeitspannen niedersank. Sein Wasser ließ er einfach in den Anzug rinnen, und er hatte dies auch Wolfhart empfohlen. Denn das Wasser, das ein Mensch ausscheide, habe eine Wirkung, die Entzündungen und Wunden entgegenwirke. »Ich sehe es als eine Vorbeugung gegen Pestbeulen an, falls ich trotz aller Vorsicht doch einmal vom Schwarzen Tod befallen werden sollte. Die Beulen werden nicht so schmerzhaft aufplatzen, wie es sonst meist der Fall ist.« Notdurft gab es für Cagliari in dieser Phase seiner Forschungsarbeiten keine zu verrichten, denn er aß kaum etwas.
    Mit der Zeit schien Cagliari den Wechsel von Tag und Nacht kaum noch zur Kenntnis zu nehmen, da er die unterweltliche Stätte seiner Forschungen nur noch selten und allein zu besonderen Anlässen verließ.
    Wolfhart hingegen kehrte immer wieder zu seinem Quartier im Palast zurück – wenn auch zu ungewöhnlichen Zeiten und manchmal auch erst, nachdem er bis zu zehn Tage durchgearbeitet hatte. Aber länger konnte er weder die Montur ertragen noch all die anderen zutiefst abstoßenden Begleiterscheinungen, die es in den Kammern des Schwarzen Todes zu ertragen galt. Vielleicht, dachte und hoffte er,

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