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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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nicht zu schockiert, Wolfhart! Ihr werdet hier unten noch manch andere Wahrheit kennenlernen, eine Wahrheit, die Eure bisherige Vorstellungskraft vermutlich überschreiten wird. Wie Ihr wisst, hat der alte Kaiser meine Arbeit sehr zu schätzen gewusst. Der Pesttod seiner geliebten Gemahlin hat sicherlich dazu beigetragen, dass er mich bedingungslos unterstützt und mir alles gegeben hat, wonach ich verlangte. Unter anderem hatte ich die Gelegenheit, wann immer ich wollte, Gefangene für meine Versuche zu bekommen.«
    »Ihr habt Gefangene diesen Flöhen ausgesetzt?«, vergewisserte sich Wolfhart, denn im ersten Moment hatte er geglaubt, sich verhört zu haben.
    »Es waren zum Tode Verurteilte. Sie hätten ohnehin nicht mehr lange zu leben gehabt. Die Erkenntnis, dass es auch die Flöhe sind, die den Schwarzen Tod auszulösen vermögen, dürfte obendrein so wertvoll sein, dass alles andere dagegen nicht ins Gewicht fallen sollte!«
    Stundenlang kämmte Wolfhart Flöhe aus den Fellen vieler hundert Ratten. Schließlich verschloss Meister Cagliari den Kübel, und sie verließen das Rattengewölbe.
    Eines der Versuchstiere schlüpfte dabei in den Zwischenraum. Cagliari fluchte lauthals. »So etwas hat uns gerade noch gefehlt!«, rief er ungehalten aus, was unter seiner Schnabelmaske einen ziemlich eigenartigen Klang hervorbrachte.
    Diese Ratte war gut bei Kräften und ganz offensichtlich noch nicht vom Schwarzen Tod befallen. Nach einigen vergeblichen Fangversuchen von beiden erwischte Cagliari sie zu guter Letzt mit einem wuchtigen Fußtritt. Benommen und vermutlich mit ein paar Dutzend gebrochenen Knochen blieb das Tier in eigenartig verrenktem Zustand liegen. Er packte den reglosen Körper, öffnete noch einmal kurz die Tür und schleuderte die Ratte in das Gewölbe, das der Medicus soeben verlassen hatte. »Was jetzt geschieht, daran hätten die Zwillinge sicher ihre Freude!«, mutmaßte Cagliari.
    Wolfhart hingegen mochte sich die Einzelheiten gar nicht vorstellen.
    Später befanden sie sich in dem Arbeitsraum hinter dem Fenster. Der ausgeweidete und in seine Körperteile zerlegte Leichnam des Pesttoten lag noch auf dem Tisch in der Mitte. Blut war die Tischbeine entlang auf den Boden geflossen und dort geronnen – nicht zum ersten Mal, wie ältere, dunkle Flecken auf den Steinen verrieten.
    Darenius war damit beschäftigt, einen Glaskolben vorsichtig über der Feuerstelle zu erhitzen. Wieder war daran ein Lederschlauch angeschlossen, und ein zweiter Kolben fing den Dampf auf. Nur waren es diesmal weder Sekrete noch zerkleinerte Organe oder der Hemdstoff eines Pesttoten, sondern die Schicht, die den Boden des Kolbens bedeckte, bestand aus lauter kleinen, schwarzen Punkten. Ausgekämmte Rattenflöhe – nach dem Auskämmen von Meister Cagliari höchstpersönlich durch die Zugabe von genügend Wasser ertränkt, damit sie nicht wegsprängen.
    »Ich weiß wahrhaftig nicht, weshalb Ihr darauf beharrt, diesen Versuch immer aufs Neue zu wiederholen«, sagte Darenius, der anfangs in seiner Montur für Wolfhart am schwersten von den anderen zu unterscheiden gewesen war, da er von seiner Körperform Cagliari stark ähnelte. Zuerst hatte sich Wolfhart an der Stimme oder an den Augen orientiert. Inzwischen fielen ihm eine Reihe von kleineren Unterschieden an der Montur und an der Art auf, wie die beiden Männer jeweils ihre in Öle getränkten Tücher umwickelten. »Es wird nichts dabei herauskommen!«
    »Wieso sagt Ihr das?«, fragte Wolfhart.
    »Weil er ein Narr ist«, knurrte Cagliari. »Ein ungehorsamer Mönch, der schon gegenüber seinem Abt den Mund nicht halten konnte, wenn es angebracht gewesen wäre, und der den Sinn der Forderung zu beten und zu arbeiten wohl niemals verstanden hat!«
    »Wie oft haben wir schon Flöhe ausgekocht! Wir haben sie vorher ertränkt, damit sie nicht wegspringen – und wir haben sie bei lebendigem Leib gekocht, weil ja die Möglichkeit bestand, dass das Wesen des Schwarzen Todes sie verlässt, sobald sie keine Lebenskraft mehr haben. Doch weder die Ratten noch die Gefangenen, denen Ihr das Destillat in die Nahrung gemischt habt, sind später an der Pest verendet!«
    »Einige bekamen sie aber sehr wohl!«
    »Ja, vermutlich jedoch nicht aus diesem Grund!«
    »Das wissen wir nicht genau!«
    »Doch, Meister Cagliari! Nach Euren Maßstäben, die Ihr sonst auch an die bei der Erkenntnisgewinnung zu beschreitenden Mittel und Wege anlegt, gibt es da keinen sicheren Zusammenhang. Wir suchen das

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