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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel
Autoren: C Walden
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bevor Wolfhart die Anlegestelle erreichte, hörte er furchtbare Schreie. Allerdings kamen sie nicht aus dem Verlies, in dem die zum Tode Verurteilten gehalten worden waren und das ganz in der Nähe lag, sein Eingang gut verborgen hinter den massiven Steinsäulen. Nein, diese Schreie kamen aus Meister Cagliaris Gewölben. Es waren zwei Stimmen, die größtenteils völlig unverständliche, tierhafte Laute ausstießen. Laute, die Schmerz und Wut ausdrücken mochten. Die Zwillinge!, erkannte Wolfhart. Irgendetwas musste während seiner Abwesenheit geschehen sein.
    Schnell vertäute er die Barke und lief sofort zum Eingang. Dort fing ihn bereits der hinkende Lazaros ab.
    »Nicht weitergehen!«, verlangte er.
    »Was geschieht dort?«
    »Wartet hier!«
    »Nein, ich will wissen, was hier vor sich geht!«
    Wolfhart versuchte, sich an Lazaros vorbeizudrängeln, doch der stellte sich ihm so in den Weg, dass dies unmöglich war. Lazaros trug normale Kleidung – ein fleckiges Wams und Hosen, die von einem breiten Gürtel zusammengehalten wurden – und nicht seine Schutzmontur.
    Immer noch waren die berserkerhaften Schreie zu hören.
    Die Stimmen von Meister Cagliari und dem entstellten Timon mischten sich noch mit ein, allerdings war es unmöglich, irgendeinen Sinn daraus zu entnehmen.
    »Einer der Zwillinge hat sich die Pest geholt!«, erklärte Lazaros. »Es müssen sich nicht alle der Gefahr aussetzen!«
    »Bei Gott …«
    »Die beiden hatten immer ihren grausamen Spaß mit den Ratten. Es muss einer der Flöhe den Weg durch seine Montur gefunden haben. Und jetzt seid vernünftig und wartet hier!«
    Das Geschrei hielt noch eine Weile an. Dann wurde es ruhiger. Eine Tür klappte zu. Man konnte hören, wie ein Riegel davorgeschoben wurde. Die wilden Schreie waren zu einem schmerzerfüllten Wimmern geworden, das nach dem Schließen der Tür kaum noch zu hören war.
    Wolfhart wurde nun eingelassen.
    Einer der Zwillinge – es war unmöglich zu erkennen, ob es nun Theofilos oder Theofanos war – saß zusammengesunken auf dem Boden des Korridors und barg sein Gesicht in den Händen.
    Der entstellte Timon war bei ihm. »Beruhige dich«, sagte er. »Meister Cagliari wird alles tun, um deinen Bruder zu heilen.«
    Meister Cagliaris Blick wirkte leer. Er starrte scheinbar ins Nichts. Was jetzt an düsteren Gedanken in seinem Kopf herumspukte, darüber konnte Wolfhart nur rätseln.
    Jedenfalls fiel es Wolfhart auf, dass keiner der Anwesenden eine Schutzmontur trug.
    Unvermittelt sah der sitzende Zwilling auf und murmelte ein paar für Wolfhart unverständliche griechische Worte, die sich für ihn kaum vom Lallen eines Betrunkenen unterschieden, obwohl er sich eigentlich inzwischen auch an die besondere Art zu sprechen, die den beiden Brüdern eigen war, gewöhnt hatte.
    »Nein, Theofanos, ich bringe deinen Bruder nicht in das Verlies der zum Tode Verurteilten«, versprach Cagliari. »Das habt ihr gerade gereinigt – und so soll es auch bleiben, denn man braucht es für einen anderen Zweck.«
    Theofanos hatte das wohl nicht richtig verstanden und erwiderte irgendetwas. Nur die Worte »nicht« und »bitte« konnte Wolfhart aus diesem Schwall von Worten und Lauten heraushören.
    Cagliari hingegen begriff anscheinend sofort, was Theofanos meinte. »Dein Bruder bleibt hier! Hier! Verstehst du? Hier! Und er bekommt ein Mittel, das ihm helfen wird.«
    Theofanos beruhigte sich daraufhin langsam wieder, auch wenn er weiterhin heftig atmete und dabei ab und zu ein röchelnder Laut entstand, der ihn dann nach Luft ringen ließ.
    Wolfhart fiel das frische Blut auf dem Boden auf.
    Viel Blut.
    »Ja«, schien Meister Cagliari Wolfharts Gedanken zu erraten. »Es ist die Form des Schwarzen Todes, bei der man aus dem Rachen blutet. Die Beulen sind nur klein und waren deshalb wohl auch erst unbemerkt geblieben bei Theofilos …«
    Drei Tage, dachte Wolfhart. Vielleicht auch nur ein einziger. Länger wird es nicht dauern.
    »Ich muss dringend mit Euch sprechen, Meister Cagliari.«
    »Nicht jetzt.«
    »Es duldet keinen Aufschub.«
    »Es gibt viel zu tun. Ich hätte Eure Hilfe dringend brauchen können! Wo seid Ihr so lange gewesen? Seid Ihr ein alter Mann geworden, dass Ihr so viel Schlaf in einem bequemen Bett braucht? Was soll ich denn da sagen, der ich seit Wochen so etwas nicht gesehen habe.«
    »Der Erste Logothet des Kaisers hat mich unter sehr merkwürdigen Umständen angesprochen. Er wird auch mit Euch reden.«
    Jetzt horchte Cagliari auf. »Ja,
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