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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel
Autoren: C Walden
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die vom Konstantin-Hafen im Süden bis zum Ufer des Goldenen Horns führte.
    »Wir sollten über wirklich alles offen sprechen, Davide«, sagte Maria.
    »Ich habe immer offen mit Euch gesprochen«, behauptete Davide.
    »Ich meine damit insbesondere über die Beziehung meines Bruders zu Seriféa.«
    Davide schwieg einige Augenblicke. »Die Anziehungskraft zwischen zwei Menschen richtet sich nicht nach den Erwägungen der Vernunft. Seriféa hat sich in Euren Bruder verliebt, doch ich glaube nicht, dass er diese Liebe auf dieselbe Weise erwidert hat. Das hat sie letztlich verzweifeln lassen und es ihr unerträglich gemacht, länger in Eurem Haus zu arbeiten.«
    Maria nickte. »Das kann ich sogar verstehen. Aber kann es einen Grund dafür geben, dass sie doch nicht zu ihrem Onkel zurückkehrte?«
    »Nein.« Kurz blickte Davide etwas betreten zu Boden.
    »Ich verstehe nicht, dass sie sich nicht verabschiedet hat. Denn nach unserem letzten Gespräch, in dem sie mir ihre Sorgen über Marcos Zugehörigkeit zu diesem geheimen Orden offenbarte, hatte ich eigentlich das Gefühl, sie würde mir vertrauen.«
    »Sie bat mich, es Euch zu sagen«, erklärte Davide. »Euch gegenüber fühlte sie zu viel Scham.«
    Drei Tage später fand man Marco und Seriféa an den Kaimauern des Eutherios-Hafens. Da zumindest Marco dort als Angehöriger des Hauses di Lorenzo wohlbekannt war, wurde Maria sofort benachrichtigt. Dem jungen Paar war das Genick gebrochen worden, und ihre Körper wiesen Spuren von Schlägen und Stichen auf.
    Auf die Stirn aber hatte man den Toten mit Kohle die Buchstaben Lambda und Rho gemalt.
    Es war mitten in tiefster Nacht, als es an Marias Tür klopfte. Sie hatte unruhig geschlafen. Der Kanonendonner war inzwischen auch die ganze Nacht über zu hören, auch wenn die Abstände zwischen den Schüssen nach Anbruch der Dunkelheit etwas länger wurden. Freilich waren es nicht die Schüsse der türkischen Geschütze, die Maria in erster Linie den Schlaf raubten, sondern die Ereignisse der letzten Zeit – allen voran der rätselhafte Tod ihres Bruders und seiner Geliebten Seriféa. Hatte die junge Frau zu viel gesehen, als sie Marco gefolgt war? Hatte sie Dinge erfahren, von denen sie nichts hätte wissen dürfen, und war vielleicht der Eindruck entstanden, Marco wäre ein Verräter? Alles schien möglich. Die Buchstaben Lambda und Rho waren den Toten so demonstrativ auf die Stirn gezeichnet worden, dass man dies als Warnung verstehen musste. Auch die Tatsache, dass man die Toten nicht einfach in der Unterwelt Konstantinopels oder in einem der Hafenbecken, Kanäle und Arme des Lykos hatte verschwinden lassen, sprach für sich. Sie hatten gefunden werden sollen – und zwar genau so.
    In was für ausgreifende Fänge war Marco da nur geraten?
    Davide hatte versprochen, mehr über diesen geheimnisvollen Orden in Erfahrung zu bringen, dessen Lehre Marco derart stark verinnerlicht hatte. Trotz dieser Bemühungen waren die Chancen, die Mörder zu fassen und ihrer gerechten Strafe zuzuführen, praktisch nicht gegeben. Und sosehr zunächst alles in Maria gegen diese Erkenntnis zu rebellieren versucht hatte, vermutlich musste sie sich mit dieser Tatsache einfach abfinden.
    Es klopfte erneut, und unmittelbar darauf folgte ein Kanonenschlag von so großer Heftigkeit, dass er sie heftig zusammenzucken ließ und sie nun auch vollkommen wach war.
    »Wer ist da?«
    »Ich bin es. Wolfhart Brookinger!«
    Maria glaubte sich im ersten Moment verhört zu haben.
    War sie noch in einem Gespinst aus Wunsch- und Alpträumen gefangen und bildete sich nur etwas ein? Sie schlug die Bettdecke zur Seite. In ihrem bis zum Boden reichenden Nachthemd ging sie barfuß zur Tür. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie den Riegel zurückschob, öffnete und ihn dann tatsächlich vor sich sah – Wolfhart Brookinger, den Mann, mit dem sie ein Gefühl von einer Stärke und Intensität verband, wie sie es bisher nicht gekannt hatte.
    Im Korridor herrschte Halbdunkel. Mondlicht fiel durch das Fenster ihrer Kammer und ließ sein Gesicht fahl erscheinen.
    »Wolfhart!«, stieß sie hervor.
    »Darf ich eintreten?«
    Anstatt seine Frage zu beantworten, schlang sie ihre Arme um seinen Hals. Etwas zögernd umarmte auch er sie, drückte sie dann aber fest an sich und küsste sie. Atemlos lösten sie sich voneinander, sie zog ihn zu sich in die Kammer und schloss die Tür hinter sich.
    »Wolfhart!«, entfuhr es ihr, und sie wollte seine Hand jetzt am liebsten nie mehr
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