Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel
Autoren: C Walden
Vom Netzwerk:
unter diesen Umständen müssen wir jetzt doch miteinander reden«, nickte er. »Aber viel Zeit können wir uns dafür nicht nehmen!«
    Wolfhart hatte zwar versprochen, über das Gespräch mit dem Ersten Logotheten zu schweigen, daran fühlte er sich jedoch in keiner Weise gebunden. Zu ungeheuerlich war es, was er da erfahren hatte.
    Meister Cagliari führte Wolfhart in einen Raum, in dem er seine Schriften aufbewahrte und vor allem über seine Forschungen penibel genau Buch führte. Es roch modrig hier, insgesamt war die Luft allerdings sehr viel weniger mit üblen Gerüchen versetzt als überall sonst im unterirdischen Reich des Mannes, der sich offenbar vorgenommen hatte, den Schwarzen Tod nicht nur zu besiegen, sondern ihn gegebenenfalls als Werkzeug einzusetzen. Was der Logothet gesagt hatte, konnte Wolfhart im Grunde genommen noch immer kaum glauben. Vielleicht hatte der von ihm so sehr verehrte Medicus ja nur vorgeblich die Forderungen erfüllt, die man an ihn stellte, und war insgeheim entschlossen, es nie zum Äußersten kommen zu lassen. Herrscher zeigten sich nun einmal immer dann am ehesten bereit, die Erforschung des Unbekannten zu unterstützen, wenn dabei die Aussicht bestünde, neuartige Waffen zu erfinden, die einen Vorteil im fortwährenden Ringen um die Macht brächten.
    »Wie gesagt, es ist nicht viel Zeit. Darenius ist schon bei den Ratten und hat angefangen, sie auszukämmen – und wir werden ihm gleich helfen müssen …«
    »Ist es wahr?«, unterbrach Wolfhart ihn. »Ist es wahr, dass Ihr versprochen habt, den Schwarzen Tod als eine Waffe nutzbar zu machen?«
    »In Wahrheit war er von Anfang an eine Waffe gewesen«, sagte Cagliari. »Ich habe alles über die Geschichte des Schwarzen Todes herauszufinden versucht, weil sich darin auch Hinweise auf sein wahres Wesen verbergen. Dabei bin ich auf Aufzeichnungen gestoßen, die besagen, dass vor hundert Jahren eine Stadt am Schwarzen Meer belagert wurde. Unter den Belagerern grassierte die Pest, und sie schleuderten ihre Toten mithilfe von Katapulten über die Mauern, sodass der Schwarze Tod alsbald auch in ihrem Inneren reiche Beute nahm und mit den Schiffen weitergetragen wurde – zuerst natürlich hierher, nach Nova Roma, dem Nabel der Welt, an dem damals kein Schiff vorbeigefahren wäre. Es ist nicht die Frage, Wolfhart, ob man aus dem Schwarzen Tod eine Waffe macht, er ist bereits von seiner innersten Natur her eine – und zwar eine der furchtbarsten, die man sich vorzustellen vermag!«
    »Dann ist es also wahr!«
    »Wolfhart! Seht der Wahrheit ins Auge! Alles kann eine Waffe sein. Ihr könnt einen Menschen mit bloßen Händen erwürgen, um Euch zu verteidigen! Was wäre der Unterschied, wenn Ihr ihm stattdessen ein paar Pestflöhe in den Pelz setzt, die Euren Feind dann auf ihre Weise hinstrecken? Ist das wirklich grausamer als ein Schwertstreich?« Cagliari schüttelte den Kopf. »Vielleicht hättet Ihr doch lieber Mönch werden sollen, Wolfhart Brookinger! Wenn einem auf die eine Wange geschlagen wird, auch noch die andere hinzuhalten, das wird nur gepredigt. In Wahrheit halten sich doch nicht einmal die christlichen Herrscher selbst daran! Und warum auch? Es wäre pure Dummheit.«
    »Ihr wollt ein Übel verbreiten, das Ihr nicht beherrscht, Meister Cagliari! Das ist das eigentlich Gefährliche an dem, was Ihr vorhabt. Der Schwarze Tod wird einfach weiterwandern und Abertausende töten, Menschen, die von diesem Krieg hier womöglich noch nicht einmal gehört haben.«
    »Wäre es die erste Seuche, die von Konstantinopel aus weitergetragen wird? Die vorhergehenden haben die Stadt eher ihrem Untergang nähergebracht, diese wird hingegen zu ihrem Bestand beitragen.«
    »Seid Ihr sicher?«
    »Wolfhart! Ich brauche jetzt Eure Hilfe!«
    »Ich hatte geglaubt, es ginge Euch darum, Menschen zu helfen, nicht, sie zu vernichten. Daran sollte sich kein Medicus beteiligen!«
    »Manchmal müssen zur Heilung Gliedmaßen abgehackt und Wunden ausgebrannt werden, Wolfhart. Das wisst Ihr so gut wie ich. Und nichts anderes habe ich vor!«
    Wolfhart begegnete seinem Blick und sagte dann: »Man soll das Übel mit dem Übel bekämpfen – das Böse mit den Mitteln des Bösen. So ähnlich habt Ihr Euch doch geäußert.«
    »Und genau so werde ich handeln, Wolfhart! Gott hat keine Macht mehr, auch wenn sich niemand traut, es auszusprechen, und jeder, der es doch tut, Gefahr läuft, ein Ketzer genannt und verbrannt zu werden. Denn in ihrer Intoleranz haben die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher