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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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umarmten sich. Maria wollte Wolfhart eigentlich gar nicht gehen lassen, aber sie spürte, dass sie ihn nicht aufhalten konnte.
    »Wann sehen wir uns wieder, Wolfhart?«
    »Ich weiß nicht. Offen gestanden wäre es vielleicht auch besser, wenn wir uns nicht wiedersähen, denn jeder, der Meister Cagliaris Unterwelt betritt, könnte die Krankheit bekommen und weitertragen …«
    »Wolfhart, ich liebe dich und kann den Gedanken nicht ertragen, dass du da unten bei diesem Mensch gewordenen Satan in Gefahr bist!«
    »Er will ein Reich der Hölle erschaffen, um die Hölle der Heidenherrschaft zu bannen. Die Furcht ist seine Waffe, und ganz gleich, wie diese Schlacht um Konstantinopel ausgehen wird, was er plant, wäre weitaus schlimmer.«
    Ihre Blicke trafen sich. Er strich ihr das Haar zurück, und sie berührte zärtlich sein Gesicht und dann seine Schulter. Schließlich küssten sie sich mit einer Mischung aus Zärtlichkeit, Leidenschaft und Verzweiflung.
    Wolfhart ruderte die Barke mit hektischen Schlägen. Er musste sich beeilen. Die Fackel am Bug bot gerade genug Licht, um sich orientieren zu können.
    Es gab viele Stellen, an denen man die Unterwelt Konstantinopels betreten konnte. Wolfhart war über den Keller eines alten, halb verfallenen Gebäudes, das früher einmal Teil des Hippodroms gewesen war, aus der Tiefe emporgekommen, um Maria im Kontor zu besuchen. Es wäre zu auffällig gewesen, den Palast für diesen Besuch auf dem normalen Weg durch das Tor zu verlassen und später wieder zu betreten. Nach seiner Begegnung mit dem Ersten Logotheten musste er damit rechnen, beobachtet oder gar nicht erst hinausgelassen zu werden.
    Das verfallende Gebäude, in dessen Keller er die Barke zwischenzeitlich angelegt hatte, war längst unbewohnbar. Ein Bereich war bereits eingestürzt und ein Großteil der Steine fortgeschafft und in anderen Bauten eingesetzt worden. Nicht mehr lange, und der Rest würde vermutlich ebenfalls in sich zusammenstürzen. Dann wäre ein weiterer Zugang zur Unterwelt von Konstantinopel verschüttet – oder es blieben nur noch kleine Zugänge, Tunnel und Löcher übrig, die von Ratten und Mäusen benutzt würden, gelegentlich hatte man an anderer Stelle auch schon Biber dabei beobachtet. In dem Labyrinth der Zisternen, Katakomben und unterirdischen Wasserwege herrschte eine gewisse Freiheit, nämlich die, unbemerkt von einem Ort zum anderen gelangen zu können, und diese nutzte Wolfhart mittlerweile reichlich. Es bot sich ihm so ebenfalls die Möglichkeit, seine unterirdische Arbeitsstätte zu verlassen, ohne dass es bemerkt würde. Allerdings war er sich dessen nie vollkommen sicher und blieb vorsichtig.
    Während er nun mit schnelleren Ruderschlägen dafür sorgte, dass die Barke noch etwas beschleunigte, dachte er an Maria. Er hatte sie zwar gewarnt, aber sie schien die Warnung nicht sonderlich ernst zu nehmen. Jedenfalls nicht ernst genug, um dafür ihren Besitz im Stich zu lassen. Wolfhart machte sich wirklich tiefgehende Sorgen. Wenn der Schwarze Tod irgendwann von seinen Fesseln befreit wäre, würde er wieder so blindwütig zuschlagen, wie er es schon so oft getan hatte. Nur war zu befürchten, dass sich die Krankheit dann angesichts des allgemeinen Chaos, das der Krieg nun einmal mitzubringen pflegte, noch rasanter ausbreiten würde, als dies ohnehin der Fall war.

Zweiundzwanzigstes Kapitel

    Im Verlies
    Da er Cagliaris Gewölbe aus einer anderen Richtung anfuhr, als wenn er sich vom Palast aus dorthin begeben hätte, kam er nun an dem Verlies vorbei, in dem die zum Tode Verurteilten untergebracht worden waren, an denen Meister Cagliari seine Experimente durchgeführt hatte. Zumindest nahm er an, dass es sich um dieses Verlies handelte und er von hier aus die Schreie vernommen hatte, die ihm zu Anfang so durch Mark und Bein gegangen waren.
    Die schwere, eisenbeschlagene Tür stand offen. Ein Fensterausschnitt auf Augenhöhe war nicht nur mit eisernen Gitterstäben, sondern auch mit einer Scheibe aus gelblich schimmerndem Glas verdeckt, was für ein Gefängnis noch viel ungewöhnlicher war als für ein gewöhnliches Bürgerhaus von nicht allzu vermögenden Leuten. Auf dem gemauerten Plateau vor dem Eingang stand ein Bottich, den Wolfhart sofort wiedererkannte. Einer der Zwillinge musste ihn hier vergessen haben, als sie vor kurzem die Räume gesäubert hatten.
    Wenig später erreichte Wolfhart die Anlegestelle vor Cagliaris Gewölben. Er vertäute die Barke und nahm die Fackel aus ihrer

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