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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel
Autoren: C Walden
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eingesetzt werden. Meister Cagliari sucht seit Jahren nach der Substanz, die das innerste Wesen dieser Krankheit enthält. Wir wissen, dass es in Sekreten und Körperflüssigkeiten der Kranken ist, und Meister Cagliari hat auch herausgefunden, dass es Flöhe übertragen, die von Ratten auf die Menschen springen. Aber er hat diesen Stoff nie isolieren können. Die Erkenntnisse, die er gewann, haben viele Opfer unter seinen Helfern gekostet – und nicht nur dort. Er hält ungezählte Mengen pestverseuchter Ratten in großen Gewölben, deren Flöhe regelmäßig ausgekämmt und in Behältern gesammelt werden. Zuerst ging ich selbstverständlich davon aus, dass all dies geschieht, um ein Heilmittel zu finden. Tatsächlich gibt es die Lehre, dass man von einem Gift ein Quäntchen einnehmen müsse, um den Körper dagegen zu stärken. Cagliari hingegen hat etwas ganz anderes vor – zumindest hat er dies seinen Auftraggebern versprochen: Die Pest soll im Lager des Sultans freigesetzt werden und dort zu wüten anfangen! Aber wie wir alle wissen, wird es ja nicht dabei bleiben. Sie wird sich ausbreiten und in die Stadt zurückkehren – spätestens, wenn die Truppen des Sultans die Mauern so weit zerschossen haben, dass sie in die Stadt vordringen können! Aber dazu müsste es gar nicht kommen. Es würde schon reichen, wenn verseuchte Wühlmäuse und Wanderratten zwischen den Fronten wandern oder die Pestleichen mit dem Wasser des Lykos zurück in die Stadt getrieben würden.«
    Zärtlich strich er Maria über das Haar und fasste sie bei der Schulter. »Ich kann dich nur beschwören, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen!«
    »Es gehen kaum noch Schiffe«, sagte Maria. »Die Durchfahrt durch die Dardanellen können momentan nur die schwer bewaffneten Galeonen aus Genua und Venedig wagen – und die werden die Stadt ganz sicher nicht verlassen, solange die Belagerung nicht vorbei ist.«
    »Du scheinst optimistisch zu sein, was die Belagerung angeht.«
    »Es ist nicht die erste Belagerung Konstantinopels – indes, es wäre die erste seit zwei Jahrhunderten, die Erfolg hätte. Abgesehen davon, was bleibt einem anderes übrig?«
    »Ich kann dich nur beschwören, doch nach einer Möglichkeit zu suchen, die Stadt zu verlassen.«
    »Das könnte ich nicht. Selbst wenn es zurzeit möglich wäre, Wolfhart!«
    »Warum nicht?«
    »Hier ist unser ganzer Besitz, den Generationen von di Lorenzos bewahrt und vermehrt haben! Ich könnte das alles nicht einfach mir nichts, dir nichts zurücklassen. Schon gar nicht jetzt, wo alles so unsicher geworden ist.«
    »Ehrlich gesagt bin ich nur aus diesem einzigen Grund hergekommen: damit ich dich warne, denn ich könnte es nicht ertragen, von einem drohenden Verhängnis gewusst und nichts unternommen zu haben, um dich zu retten.« Er erhob sich. »Ich habe leider nicht viel Zeit.«
    Maria sah ihn verständnislos an. »Du willst zurück?«
    »Man erwartet mich zurück. Meister Cagliari benötigt meine Hilfe.«
    »Aber ich dachte …«
    »Maria, ich warte nur auf die richtige Gelegenheit, die Pläne dieses selbsternannten Todesengels zu durchkreuzen. Das kann ich allerdings nur, wenn ich in seiner Nähe bin … Außerdem bin ich auch noch nicht in alle Geheimnisse eingeweiht, ich habe gerade einmal eine vage Ahnung von der Verschwörung, die hier im Gang ist.«
    »Mir empfiehlst du, die Stadt zu verlassen, und selbst hegst du die Absicht, dich geradewegs wieder in das Zentrum der Gefahr zu begeben.«
    »Wenn ich eine furchtsame Natur hätte, wäre ich niemals hierhergekommen, um von einem Pest-Medicus zu lernen«, erwiderte Wolfhart. »Unmöglich kann ich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt davonlaufen – zumal es für mich dazu wahrscheinlich gar keine Mittel und Wege gäbe. Ich kann nur versuchen, das Schlimmste zu verhindern – und das werde ich tun.«
    Maria atmete tief durch. »Wie kann ich dich aufhalten?«
    »Gar nicht.«
    »Das habe ich befürchtet.«
    »So wie auch dich wohl niemand daran hindern kann, noch die letzten Trümmersteine des Hauses di Lorenzo zu bewachen, selbst wenn ansonsten schon alles in Schutt und Asche läge.«
    So, als wollte irgendein ferner Zuhörer die Worte Wolfharts lautstark bekräftigen, gab es wieder einen besonders heftigen Kanonendonner. Zwei Geschütze – und es konnten nicht die kleinsten unter ihnen sein! – schossen annähernd zur gleichen Zeit, und man wagte sich kaum vorzustellen, welch großes Loch die Geschosse gerade in die Mauern rissen.
    Sie
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