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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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zu nehmen und ihren Leib als leere Hülle zurückzulassen.«
    »Irgendjemand muss sich dem Schrecken doch entgegenstellen. Es kann doch nicht sein, dass man sich von der Furcht regieren lässt, anstatt nach Mitteln und Wegen zu suchen, den Schrecken zu besiegen!«
    »Die meisten derjenigen, die diesen Mut hatten, sind bereits nicht mehr am Leben«, gab seine Mutter zu bedenken. Sie ließ Wolfhart los und bekreuzigte sich. »Der Herr bestimmt unser Leben und unseren Tod, und wir sollten demütig hinnehmen, was seinen Ratschluss bestimmt. Alles andere führt uns nur in die Irre und lässt uns verzweifeln.«
    Für einige Augenblicke herrschte Schweigen. Keiner der Anwesenden schien mehr in der Lage zu sein, noch etwas zu sagen. Die Standpunkte waren so unversöhnlich, wie Wolfhart es befürchtet hatte. »Ich habe in Erfurt von einem Mann namens Fausto Cagliari gehört. Er lehrte einst dort für kurze Zeit als Magister, bevor es ihn weiter in die Ferne zog. Dieser Mann gilt als der größte Arzt und Gelehrte, der sich jemals mit der Natur des Schwarzen Todes beschäftigt hat. Er soll den polnischen König und den Kaiser in Prag beraten haben, und selbst der Papst in Rom soll aufgrund der Beratung durch Meister Cagliari der Pest entronnen sein, obwohl sie die zahllosen Pilger dorthin gewiss genauso oft einschleppen, wie es die fremden Schiffe in Lübeck oder Stralsund tun.«
    Wolfhart atmete tief durch. Er fühlte sich erleichtert, jetzt das eigentliche Ziel endlich ausgesprochen zu haben, das er sich gesteckt hatte. »Ich will nach Konstantinopel gehen, weil ich mich Meister Cagliari als Schüler anbieten möchte. In meiner Tasche habe ich ein Empfehlungsschreiben von Magister Munsonius aus Erfurt, der Meister Cagliari sehr gut kennt und dessen Hochachtung genießt. Damit ausgestattet wird er mich sicherlich annehmen, denn die Furcht davor, selbst dem Pestdämon zu erliegen, dürfte in Konstantinopel nicht geringer sein als andernorts. Daher wird er nicht gerade von einer Vielzahl von Interessenten bedrängt werden, die sich nichts sehnlicher wünschen, als alles über den Schwarzen Tod zu erfahren! Ich rechne mir also gute Chancen aus.«
    »Eine derart weite Reise auf die vage Aussicht hin, bei einem offenbar recht bekannten Arzt zu lernen?«, fragte Adam Brookinger zweifelnd.
    »Seid Ihr nicht auch schon wegen einer zweifelhaften Aussicht auf einen großen Gewinn und gute Geschäfte ins Ungewisse aufgebrochen, Vater? Seid Ihr nicht sogar nach Nürnberg und schließlich bis Venedig gezogen, um Eure Geschäfte auszuweiten, und hat Euch nicht zuvor fast jeder unter den Bergenfahrern einen Narren geschimpft?«
    »Nun, das will ich nicht abstreiten …«
    »Und hat man Euch nicht später gerade um Eurer Erfolge in der Ferne willen zum Ältermann gewählt? War nicht letztlich das, was erst als Narrentum verunglimpft wurde, plötzlich ein Zeichen für Euren Weitblick?«
    »Du kannst das nicht vergleichen«, stellte Adam Brookinger harsch fest. »Es ist schon bitter für mich, dass ich nun ein weiteres Kind an die Pest verlieren werde – wenn auch dadurch, dass es sich freiwillig wie in einem Wahn an diese Seuche hingibt!« Er schüttelte mit düsterem Gesicht den Kopf.
    »Vater, ich denke bereits seit langer Zeit daran. Schon, als ich in jungen Jahren erleben musste, wie meine Geschwister und viele, die ich kannte, vom Schwarzen Tod dahingerafft wurden, hat mich der Gedanke nicht mehr losgelassen, dem Geheimnis dieses Schreckens auf die Spur zu kommen, denn ich wollte einfach nicht glauben, dass man dagegen machtlos sein sollte!«
    »Es reicht, wenn du unvorsichtig und ein Narr bist!«, meldete sich nun wieder seine Mutter zu Wort. »Es ist nicht notwendig, dass du dich auch noch in Blasphemie übst und die Allmacht Gottes verspottest!«
    »Unser Sohn wird es sich vielleicht noch einmal überlegen«, meinte Adam, wenngleich in seinem Tonfall nur ein sehr geringes Maß an Zuversicht mitschwang. »Wobei ich hoffe, dass er sich an seine Verpflichtungen erinnert, die ihn an dieses Haus und an diese Stadt binden!«
    Am Abend war im Haus der Brookingers zum Festbankett geladen worden. Die Tische bogen sich beinahe unter all den Speisen, die aufgetragen wurden. Die vornehmsten Patrizier der Stadt waren gekommen, denn eine Einladung von Adam Brookinger schlug niemand aus. Im Innenhof des Hauses hatten Bedienstete zusätzliche Tische und Bänke aufgestellt, wo die Armen abgespeist wurden. Auch sie waren zahlreich gekommen. Diese

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