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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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in Anspruch, als dies den eigenen Geschäften guttun kann, und daher kann er jede Entlastung gebrauchen!«
    »Martin ist ja erst zwölf und einfach noch nicht so weit, als dass man von ihm wirklich eine Hilfe erwarten könnte – wenngleich er ein gelehriger Schüler ist und schon besser mit dem Abakus zu rechnen versteht als ich!«
    Martin war Wolfharts jüngerer Bruder. Mit ihm war Margarete Brookinger ein paar Jahre nach jener Pest schwanger geworden, die Wolfhart in seiner Kindheit miterlebt hatte und die beinahe alle seine anderen Geschwister hinweggerafft hatte. Alle bis auf Agnes, die jetzt neunzehn sein müsste und seit den Tagen des Schwarzen Todes zu sprechen aufgehört hatte. Nur hin und wieder war ihr Wimmern im Schlaf zu hören, aber ansonsten hatte sie das Grauen völlig verstummen lassen. Sie schien dem Wahnsinn verfallen und in der Welt ihrer eigenen Gedanken und Ängste gefangen zu sein. Ein befreundeter Priester hatte den Brookingers geraten, es mit einem Exorzismus zu versuchen, denn allem Anschein nach sei sie seit den Tagen des Schwarzen Todes von einem Dämon besessen. Wolfhart erinnerte sich noch genau an den Anblick des kleinen Mädchens, das von Pestbeulen völlig entstellt gewesen war, die Krankheit dennoch wie durch ein Wunder überlebt hatte. Doch dieses Wunder schien eine grausame Kehrseite zu haben: Ihr Körper war zwar dem Schwarzen Tod entronnen, ihre Seele indes in die Gefilde der Schatten entführt worden – vermeintlich ohne Aussicht darauf, jemals von dort zurückzukehren.
    Dreimal hatte Adam Brookinger eine Teufelsaustreibung bei seiner Tochter durchführen lassen. Ohne Erfolg. Ihr Zustand hatte sich nicht verbessert. Hinter vorgehaltener Hand gab es sogar Stimmen, die mutmaßten, dass vielleicht ein übler Fluch auf der Familie des Ältermanns der Bergenfahrer lastete und man sich deshalb besser von ihr fernhielt.
    Wohlmeinende Freunde hatten Adam Brookinger geraten, seine Tochter außerhalb der Stadt in einem Kloster barmherziger Schwestern unterzubringen. Dies sei für alle Beteiligten das Beste. Doch Adam Brookinger hatte dies ebenso kategorisch abgelehnt wie Margarete.
    »Heute Abend haben wir Gäste und geben ein Bankett«, erklärte die Herrin des Hauses. »Natürlich laden wir auch die Armen der Stadt dazu ein, wie es sich für das Haus eines Ältermanns gehört. Dann werden dir sicher viele Ohren gespannt lauschen.«
    »Ja, und bis dahin ist noch viel zu tun«, ergänzte Adam Brookinger die Worte seiner Gemahlin. Er atmete tief durch und sah Wolfhart geradewegs in die Augen. »Fast sieben Jahre, das ist eine lange Zeit!«
    »Vater, ich muss Euch etwas sagen«, begann Wolfhart.
    »Später!«
    »Nein, es muss jetzt sein! Es ist nämlich so, dass ich nicht lange in Lübeck bleiben werde. Um genau zu sein, bin ich gewissermaßen auf der Durchreise, obwohl Lübeck von Erfurt aus gesehen nicht gerade auf dem Weg nach Konstantinopel liegt.«
    Adam Brookinger wechselte einen stirnrunzelnden Blick mit seiner Frau und sah danach Wolfhart verständnislos an. »Was redest du da? Ich habe dich die Rechtswissenschaften studieren lassen, damit du die Interessen unseres Handelshauses wahrnehmen und mir helfen kannst, wenn ich schwierige Verhandlungen zu führen habe!«
    »Und was willst du denn in Konstantinopel?«, fragte seine Mutter. »Willst du eine Pilgerreise ins Heilige Land unternehmen?«
    »Wir hätten ihn nicht auf die Lateinschule gehen lassen sollen! Sonst hätten ihm diese verfluchten Mönchsbrüder nicht solche Gedanken in den Kopf gepflanzt, die ihn jetzt wirr daherreden lassen! Hast du überhaupt eine Vorstellung, wie weit Konstantinopel entfernt ist? Ich schon! Denn ich beziehe Waren von dort!«
    »Hört mich an, Vater! Und auch Ihr, Mutter! Ich habe Euch noch mehr zu berichten.«
    Für eine Weile herrschte angespanntes Schweigen. Adam Brookingers Körper straffte sich. Den Daumen der linken Hand klemmte er hinter den Gürtel, die restlichen Finger krampfte er zusammen. Er wandte sich an Joop von Großwörden. »Lass uns allein, Joop. Dies ist eine Angelegenheit, die wir ausschließlich innerhalb der Familie zu besprechen haben!«
    Joop neigte den Kopf. »Ganz wie Ihr wünscht!«, murmelte er kaum hörbar und verließ dann das große Zimmer. Adam Brookinger sprach nun seinen Sohn an. »Und jetzt will ich wissen, was du mir zu sagen hast, Sohn!«
    Tausend Gedanken gingen Wolfhart in diesem Moment durch den Kopf. Während des langen Weges hatte er Zeit genug gehabt, sich

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