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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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der seinem Träger deshalb bis zur Nasenspitze reicht. Warum sollte ich Euch dieses Recht also nicht auch fürderhin belassen, da Ihr doch von einem treuen Verbündeten Konstantinopels abstammt?« Er wandte sich an Marco. »Ich nehme an, dass Ihr es seid, in dessen Händen die Führung des Hauses di Lorenzo jetzt liegt!«
    Marcos Gesicht verfinsterte sich leicht. Er kam indessen nicht mehr dazu, dem Kaiser zu antworten.
    Kaiser Johannes’ Blick veränderte sich plötzlich, auf erschreckende Art und Weise traten seine Augen hervor. Ein röchelnder Laut kam über seine Lippen. Danach erstarrte sein Blick maskenhaft, und er sackte nach vorn. Noch ehe einer seiner Diener oder gar der Erste Logothet ihn hätte halten können, rutschte er zu Boden und blieb regungslos liegen.
    Seine Augen waren so ausdruckslos, wie Maria es nur von einem Toten kannte.
    »Ein Arzt! Schnell! Ein Arzt!«, rief Stefanos Pantelis auf Griechisch.
    Alle, die bis dahin gekniet hatten, waren jetzt aufgestanden und sahen entsetzt auf den Kaiser. »Lasst mich durch!«, sagte eine Stimme, die an das Zischen einer Schlange erinnerte. Sie war nicht laut, aber durchdringend. Die Stimme eines Mannes, der es gewohnt war, dass seine Anweisungen erfüllt wurden. Er hatte Griechisch gesprochen, allerdings mit einem Akzent, wie man ihn von Venezianern oder Genuesern kannte. Unwillkürlich erschrak Maria, noch ehe sie gewahr wurde, wie ein grauhaariger, hagerer und etwas ungepflegter Mann sich zwischen den Gästen hindurchdrängelte.
    »Lasst mich vorbei! Ich bin Fausto Cagliari, der Pestarzt des Kaisers!«, rief er, und erst da fiel es Maria wie Schuppen von den Augen. Unter der Schnabelmaske hatte seine Stimme verändert und sehr viel dumpfer geklungen. Darüber hinaus sprach er jetzt Griechisch und nicht sein angestammtes Venezianisch, was den Klang zusätzlich veränderte. Deswegen ist er mir so bekannt vorgekommen!, ging es Maria durch den Kopf. Der unscheinbare, hagere Mann in dem abgetragenen venezianischen Wams war niemand anderes als jener Pestarzt, der sich ihr gegenüber bisher hinter seiner grotesken Schnabelmaske verborgen hatte und den sein von mit ätherischen Ölen getränkten Tüchern umwickelter Anzug aus Krokodilleder wie einen dämonischen Tiermenschen hatte aussehen lassen. Dieser Blick … Allein bei der Erinnerung daran überlief Maria ein Schauder.
    Fausto Cagliari beugte sich über den am Boden liegenden Kaiser.
    Jason Argiris beobachtete ihn dabei misstrauisch. Dem Befehlshaber der kaiserlichen Leibgarde gefiel es anscheinend ganz und gar nicht, dass hier und jetzt alles von dem Arzt aus Venedig abhängen sollte.
    »Bringt ihn auf ein Lager!«, befahl Fausto Cagliari mit autoritätsgewohnter Stimme und akzentschwerem Griechisch. »Schnell!«
    Im Saal hatte sich eine gespenstische Stille ausgebreitet. Wie paralysiert standen alle, die an diesem Tag zur Audienz beim Kaiser geladen worden waren, dort, wo sie eben als Bittsteller noch gekniet hatten – und selbst manch einer der schwer bewaffneten Söldner in Livree und Harnisch, die eine Hand am Stiel der Hellebarde, die andere am Griff des Seitschwertes, verharrte wie versteinert an seinem Platz. Möglicherweise waren es ja die Augen des Kaisers, die sie so entsetzten, denn der regungslose Johannes VIII. starrte vollkommen entseelt zur Palastdecke.
    Auf Befehl von Jason Argiris kamen Wächter herbei, nahmen zögernd und erst auf einen weiteren, sehr viel barscher gehaltenen Befehl hin den regungslosen Kaiser vom Boden auf und trugen ihn fort.
    Maria bekam mit, wie Stefanos Pantelis ein paar Worte mit dem Vertreter der Kirche wechselte. Athanasius Synkellos nickte heftig, aber von dem, was ihm gesagt wurde, konnte Maria nichts mehr verstehen, denn überall begann jetzt unter den Anwesenden das Geraune. »Der Erste Logothet des Kaisers und der Stellvertreter des Patriarchen – welch ein schönes Paar!«, murmelte unterdessen Marco voller Spott. »Ich möchte nicht wissen, wessen Trauer falscher ist!«
    »Schweig, Bruder!«, zischte Maria. »Um alles in der Welt, zügle nur dieses eine Mal dein Mundwerk, Marco!«
    »Ist es etwa falsch, was ich gesagt habe?«
    »Nicht jede Wahrheit muss ausgesprochen werden, Marco!«
    Marco zuckte mit den Schultern. »Ja, das ist sicherlich auch eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen.«
    Mit einer schwungvollen Bewegung zog Jason Argiris nun sein Schwert. Die Klinge wirbelte durch die Luft und zeigte schließlich auf einen der Ausgänge des Audienzsaals,

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