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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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anzusprechen, ohne dass der Herrscher der Rhomäer seinen Blick auf ihn gerichtet hätte. So entstand nun ein quälend langer Augenblick des Schweigens, während die volle Aufmerksamkeit aller im Raum auf den scheinbar teilnahmslos dasitzenden Kaiser gerichtet war, dessen Gedanken unendlich weit entfernt zu sein schienen. Er wirkte müde – und die Blässe seines Gesichts ungesund. Die dunklen Ringe unter den Augen waren nicht zu übersehen. Er hob leicht die Hand und machte ein Zeichen. Daraufhin wandte sich der Logothet an Maldini. »Seine Erhabenheit hat Euren Wunsch zur Kenntnis genommen, und Ihr werdet über alles Weitere zu gegebener Zeit unterrichtet werden«, erklärte Stefanos Pantelis.
    Man sah Bartolomeo Maldini an, wie fassungslos er darüber war, dass diese wichtige Entscheidung einfach verschoben wurde und wohl in den nächsten Monaten nicht mehr damit zu rechnen wäre, dass es in dieser Sache voranging. Der alte Handelsherr und Diplomat hatte seine Gesichtszüge normalerweise vorzüglich unter Kontrolle, sodass man ihm zwar ins Gesicht, nicht aber in die Seele blicken konnte, doch in diesem Augenblick vergaß er sich kurz. Sein Kopf wurde dunkelrot.
    Noch drei weitere Bittsteller mussten Maria und ihre Begleiter abwarten, dann waren die Erben des Hauses di Lorenzo an der Reihe. Stefanos Pantelis wies sie an vorzutreten. Marias Knie hatten derweil zu schmerzen begonnen.
    Der Blick des Kaisers ruhte zuerst auf Marco, dann auf Maria. Von Davide Scrittore schien er kaum Notiz zu nehmen, obwohl Maria aus den Erzählungen ihres Vaters wusste, dass Kaiser Johannes der Schreiber sehr gut bekannt sein müsste.
    Hier zählte wohl allein die Einhaltung der Hierarchie. Wer weiter unten in der Ordnung stand, die angeblich der Herr selbst gefügt hatte, dem wurde dies bei einer Audienz des Kaisers auch in besonderer Weise verdeutlicht.
    Der Logothet nannte die Namen von Marco und Maria di Lorenzo und stellte sie als Nachfahren des ruhmreichen Niccolò Andrea vor, der einst geholfen hatte, die Franken aus Konstantinopel zu vertreiben. Stefanos Pantelis wollte etwas sagen, auf ein Zeichen des Kaisers hin schwieg er freilich.
    »Euer Vater Luca di Lorenzo war ein guter Freund unseres Hauses«, sprach Johannes – überraschenderweise tat er das auf Latein, der alten Amtssprache Konstantinopels, die allerdings schon vor langer Zeit sowohl im täglichen Gebrauch als auch offiziell vom Griechischen abgelöst worden war. »Es tut mir leid, dass Euer Vater und seine Gemahlin dieser furchtbaren Seuche anheimgefallen sind, der auch meine Frau erlegen ist …« Er wandte sich nun an Maria. »Sie war nach der Mutter unseres Herrn benannt worden, genau wie Ihr, Maria di Lorenzo!«
    »Wir sind dem Herrn dankbar, dass der Schwarze Tod uns verschont hat«, gab Maria zurück und ahnte sofort, dass sie nicht ganz den richtigen Ton getroffen hatte. Sie sprach nun zwar ebenfalls Latein, doch vielleicht lag es gerade daran, dass ihre Worte nicht die gewohnte Geschmeidigkeit hatten.
    »Ich dagegen bedaure jeden Tag, derjenige zu sein, der zurückgeblieben ist, und ich frage mich, warum. Hat der Herr noch einen Plan mit mir? Doch warum hat er dann alles, was ich seitdem versucht habe, letztlich scheitern lassen? Warum vermochte ich seit dem Abschluss der Kirchenunion in Ferrara nichts mehr einem Ziel zuzuführen?« Ein mattes Lächeln erschien auf dem Antlitz des Kaisers. Für einen kurzen Moment milderte es die harten Linien seiner Züge und gab einen flüchtigen Blick auf das Seelenleben des Kaisers frei. Pure Verzweiflung sprach jetzt auch aus seinem Gesicht: Es war das Gesicht eines Mannes, der alles versucht hatte und nun ahnte, dass sich das Blatt für ihn und sein zusammengeschmolzenes Reich doch nicht noch einmal wenden ließe.
    Maria schwieg jetzt betroffen. Kaiser Johannes lehnte sich zurück. »Ihr seid hier, um Eure Privilegien zu erneuern, nicht wahr?«
    »So ist es«, antwortete Maria fast tonlos und nickte.
    Marco hingegen verengte nur leicht die Augen und wirkte auf eine eigenartige Weise teilnahmslos. Maria konnte sich darauf erneut keinen rechten Reim machen, aber es fiel ihr in letzter Zeit ja ohnehin schwer, noch zu verstehen, was in ihrem Bruder vor sich ging. »Verzeiht, mein Kaiser, es geht uns dabei auch um die Erlaubnis, innerhalb Eurer Stadt Waren stapeln und Lagerhäuser betreiben zu dürfen.«
    »Die Mauern von Pera sind eng, die von Konstantinopel inzwischen so weit, dass sie wie ein zu großer Hut wirken,

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