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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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haben.«
    Maria wandte sich an Wolfhart, der inzwischen aus dem Sattel gestiegen war. »Wir haben es hier zurzeit etwas beengt. Unser Haus in Pera ist nur noch eine ausgebrannte Ruine, seit meine Eltern an der Pest gestorben sind.« Sie schluckte und bemühte sich um Fassung, aber ein dicker Kloß saß ihr im Hals. »Ihr seht, nicht nur Ihr habt ein ganz besonderes Verhältnis zu dieser Geißel, mit der Gott immer wieder die Menschen schlägt – ganz besonders die Menschen in dieser Stadt, wie mir scheint.«
    »Eines Tages wird der Dämon dieser Krankheit besiegt sein«, sagte Wolfhart Brookinger. Der Tonfall, in dem er diese Behauptung so beherzt aufstellte, zeigte eine derart tief empfundene Entschlossenheit auf, die Maria unwillkürlich innerlich aufhorchen und erschaudern ließ. Dieser Mann war aus einem sehr fernen Land eigens nach Konstantinopel gereist und hatte damit alle möglichen Unbilden in Kauf genommen, um mehr über das Wesen dieser Krankheit zu erfahren. »Der Pestdämon scheint in Eurem Leben einen ähnlich wichtigen Platz einzunehmen wie in meinem«, meinte sie. Sie verspürte das plötzliche Bedürfnis, mehr darüber zu erfahren – von ihm, Wolfhart. Gegenwärtig ergab sich jedoch leider keine Gelegenheit, das Gespräch fortzusetzen. Es blieb ihnen nur ein Blick – kurz und sehr tief. Doch dieser Augenblick genügte, dass Maria das Gefühl hatte, jemandem begegnet zu sein, der sie verstand, weil er ihre innerste Furcht teilte – die Furcht vor der Unberechenbarkeit des Schwarzen Todes. Vielleicht hat ja auch er jemanden verloren, grübelte sie, bevor Stimmengewirr ihre Gedanken wieder ablenkte.
    Davide glaubte, dass er wieder gut genug beieinander wäre, um ohne Hilfe ins Haus gehen zu können, und die Waffenknechte, die ihm beim Verlassen des Wagens unter die Arme gegriffen hatten, waren etwas unschlüssig darüber, was sie nun tun oder lassen sollten.
    »Lasst mich!«, verlangte der Schreiber des Hauses di Lorenzo von seinen Helfern. »Ich bin kein Greis!« Er schwankte jedoch bei den nächsten Schritten so stark, dass Thomás höchstpersönlich ihn stützte. »Legt Euch nicht mit mir an, Davide«, warnte ihn der ehemalige kaiserliche Söldner, halb im Ernst und halb im Scherz. »Wir Schotten haben schon Römern, Sachsen, Dänen und Engländern widerstanden, da wird ein invalider Schreiber nicht gerade derjenige sein, der es mit mir aufzunehmen wagt!«
    »Ihr seid entlassen, Thomás!«, ging Davide darauf ein und konnte sich trotz seiner Schmerzen ein Grinsen nicht verkneifen.
    »Dazu habt Ihr nicht die Befugnis, Schreiber!«, lachte Thomás. »Und wenn schon – es gibt wahrhaft angenehmere Aufgaben für jemanden wie mich, als einen widerwilligen Schreiber ins Haus zu bringen, der nicht mehr Herr seiner Sinne ist!«
    In diesem Moment trat Seriféa ins Freie. Der Kopf der jungen Levantinerin wirkte hochrot – ihre Frisur war nur notdürftig gerichtet.
    »Onkel Davide!«, rief sie erschrocken aus und verfiel dann ins Arabische. Maria konnte von dem kurzen Gespräch, das sie daraufhin mit Davide führte, natürlich kein Wort verstehen, aber Seriféas Stimme klang sehr besorgt.
    Noch jemand trat nun ins Freie. Zunächst sah Maria nur den dunklen Schatten eines Mannes, dessen Gestalt sich schemenhaft gegen das aus dem Inneren des Hauses dringende Licht abhob. »Sieh an, meine Schwester hat Besuch mitgebracht«, drang nun Marcos heisere Stimme so schneidend wie der Herbstwind von den Dardanellen durch die Nacht. Marco näherte sich und trat ins Licht der Laternen, die den Innenhof des Kontors erhellten und einen leichten Ölgeruch verbreiteten. Schwärme von Motten sammelten sich um ihren Schein. Marias Bruder trug kein Wams und hatte das Hemd über der Hose. Darauf waren rund um den Kragen dunkelrote Flecken zu sehen. Auf den ersten Blick hätte man an getrocknetes Blut denken können, doch der Geruch, den der junge Mann verströmte, deutete auf Rotwein, dem er wohl ziemlich stark zugesprochen hatte.
    »Marco …«
    »Was ist, Schwester? Bin ich dir peinlich? Willst du mich deinen hochwohlgeborenen Gästen nicht vorstellen?«, tönte Marco lauthals, doch mit leicht unsicherer Zunge. Er kam näher und musterte zuerst Wolfhart Brookinger von oben bis unten. »Holst du nun schon die Mühseligen und Beladenen zu dir, um sie zu beherbergen?«, spottete Marco. Er zuckte die Schultern. »Wer mag schon wissen, wozu es gut ist? Vielleicht wird man unsere Eltern dann von der irdischen nicht auch noch in

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