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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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die jenseitige Hölle schicken, sondern beim Jüngsten Gericht etwas Erbarmen mit ihnen haben!«
    »Auf solches Erbarmen scheinst du ja keinen Wert zu legen, Marco!«, entfuhr es Maria ziemlich ärgerlich. Was fiel ihrem Bruder ein, sich hier so aufzuführen! Sie versuchte, den aufkommenden Groll etwas zu bezähmen.
    »Er sieht aus wie ein Bettler, er riecht wie ein Bettler, und er reitet auf einem vermutlich gestohlenen Pferd wie ein Bettler – ich hoffe, du hast ihm auch schon genug gegeben, Schwester, denn solche Leute haben die Angewohnheit, es sich sonst mit Gewalt zu nehmen!« Mit diesen Worten wandte sich Marco Urban Kanonengießer zu. Eine tiefe Furche bildete sich mitten auf Marcos Stirn, als er den Bärtigen mit einem höchst abschätzigen Blick bedachte. »Zugewachsen bis unter die Augen wie ein Wolf … Man sollte sich vor ihm in Acht nehmen, oder?« Er lachte höhnisch. »Wer weiß, welcher Dämon in ihm steckt und des Nachts zum Leben erwacht? Grüßt mir Euren Herrn und Meister, Schwarzbart! Luzifer persönlich etwa oder irgendein anderes Tier der Hölle, deren Geschöpfe sich jeden Tag aufs Neue als so viel stärker erweisen als die Macht Gottes! Ja – grüßt ihn von mir und sagt ihm, er kann mich mal!« Daraufhin lachte er so dröhnend, dass er sich verschluckte und dabei einige Geräusche ausstieß, die ihn vorübergehend so erscheinen ließen, als würde er selbst kurz vor der Verwandlung in einen teuflischen Werwolf stehen.
    Da Marco Genuesisch gesprochen hatte, konnten sowohl Wolfhart als auch Urban alles verstehen. Maria war das sehr unangenehm.
    »Schluss jetzt, in diesem Haus haben immer die Regeln der Gastfreundschaft gegolten!«, fuhr sie ärgerlich dazwischen.
    »Natürlich!«, ächzte Marco. »Daran wollte ich auch nicht gezweifelt haben.«
    »Wir können uns auch eine andere Herberge suchen«, sprach Wolfhart Brookinger nun Maria an. »Es war nicht meine Absicht, zu einem Disput in Eurem Haus beizutragen.«
    »Nein, nein, Wolfhart!«, widersprach Maria vehement, und sie fühlte dabei überdeutlich, wie ihr das Herz bis zum Hals schlug. Zum einen aus Ärger über das Verhalten ihres Bruders, zum anderen war daneben noch eine andere Art von Erregung, die Maria noch nicht richtig einzuordnen wusste. Flüchtig traf sich ihr Blick mit dem des jungen Mannes. Sie sah in Augen, die offen und freundlich waren und ihr das Gefühl gaben, Wolfhart schon viel länger zu kennen, als es tatsächlich der Fall war. »Ihr habt viel für uns riskiert, Wolfhart – und Ihr ebenso, Urban Kanonengießer! Da ist es das Mindeste, dass ich Euch die Gastfreundschaft des Hauses di Lorenzo anbiete, solange Ihr sie annehmen wollt und Ihr mit den bescheidenen, beengten Verhältnissen zufrieden seid, die hier derzeit nun einmal herrschen.«
    »Wir sind bescheidene Verhältnisse gewohnt«, mischte sich Urban ein, der wohl befürchtete, dass wiederum Wolfhart das Wort ergreifen und darauf bestehen würde, dass sie doch weiterzögen. »Alles, was besser als ein Pferdestall oder der offene Himmel ist, wird uns schon genügen!«
    »Seriféa!«, rief Maria nun die Dienerin herbei, welche die Szene mit Marco von Weitem beobachtet hatte.
    »Ja, Herrin?«
    »Bring unsere Gäste zu den Unterkünften unserer Bediensteten, da müsste noch etwas frei sein. Und wenn nicht, dann wecke einige der Männer, dass sie ein paar Waren umstapeln und dadurch genügend Platz geschaffen oder ein eigener Raum verfügbar wird!«
    »Ich möchte wirklich nicht, dass Ihr Euch größere Umstände macht«, meinte Wolfhart noch einmal. »Wir sind auch mit einer Ecke im Lagerhaus zwischen Stoffballen und Zuckersäcken zufrieden!«
    »Nein, das wäre ja noch schöner!«, protestierte Maria. »Solange Ihr hier seid, soll es Euch an nichts fehlen. Ich möchte Euch nur darum bitten, dass Ihr vielleicht später noch einmal nach meinem Schreiber sehen mögt und an ihm Eure ärztliche Heilkunst versucht, falls dies notwendig sein sollte.«
    »Gewiss«, nickte Wolfhart.
    »Um Eure Pferde werden sich unsere Knechte kümmern!«
    Nachdem die beiden Fremden ihr Gepäck von den Sätteln geschnallt hatten, folgten sie Seriféa zu den Unterkünften. Nach ein paar Schritten drehte sich Wolfhart noch einmal nach Maria um. Sie erwiderte seinen Blick. In diesem Moment hörte sie nicht einmal mehr die schneidende Stimme ihres Bruders, der sich weitere bissige Bemerkungen einfach nicht verkneifen konnte.
    Welch ein Glück, dass wir Wolfhart getroffen haben!, dachte sie.

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