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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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nicht trotz allem ein Dämon ist?«, wisperte Cagliari. »Es geht nur darum, ob man in Furcht vor ihm erstarrt oder ihn zu beherrschen trachtet.«
    In Fausto Cagliaris Augen flackerte es unruhig. Ein kaltes Feuer brannte dort, und Maria schauderte es unwillkürlich. Dasselbe unbehagliche Gefühl, das sie schon bei den Untersuchungen durch diesen Mann empfunden hatte, stellte sich sofort wieder ein. Ihm haftete etwas zutiefst Unmenschliches an, und ihr war klar, dass es damals wohl nicht die besondere Situation war, in der sie sich befunden hatte, weshalb sie sich in Anwesenheit dieses Mannes nicht wohlzufühlen vermochte.
    »Es gibt nicht viele, die es wagen, dem Dämon in die Augen zu sehen!«, sagte Cagliari, und sein prüfender Blick schien Wolfhart geradezu zu durchbohren. »Und wenn Ihr tatsächlich so gescheit seid, wie es den Anschein hat, dann kann ich die Hilfe von jemandem wie Euch gut gebrauchen.«
    »Ich bin hier, um zu lernen«, gestand Wolfhart. »Ich gebe nicht vor, schon viel zu wissen. Vor allem nicht im Vergleich mit Euch.«
    »Das ist gut. Denn Ihr werdet feststellen, dass Euch nichts von dem, was Ihr schon gelernt habt, bei Euren künftigen Aufgaben zu helfen vermag. Fast nichts jedenfalls. Die Schriften der gelehrten Geister sind bestenfalls dazu geeignet, ein Kaminfeuer zu heizen! Erkenntnis gewinnt man nämlich nicht aus dem Studium von Schriften, sondern einzig und allein durch den Versuch …«
    »Deswegen bin ich hier!«
    »… der den Irrtum beinhaltet, und der ist im Umgang mit etwas so Gefährlichem wie dem Pestdämon sehr oft tödlich!«
    »Ich habe keine Furcht«, behauptete Wolfhart.
    Das Gesicht des Pestarztes verzog sich grimassenhaft. Es war die satyrhafte, verzerrte Parodie eines Lächelns.
    »Dann werdet Ihr sie noch lernen müssen!«, erklärte er. »In ein paar Tagen wird jemand kommen, um Euch abzuholen, und in den Palast bringen. Haltet Euch in diesem Kontor am Eutherios-Hafen, in dem Ihr wohnt, bereit.«
    »Das werde ich, Meister Cagliari. Und Ihr werdet es nicht bereuen, mich angehört zu haben.«
    »Das wird sich herausstellen!«, antwortete Cagliari ausweichend.
    Während sich Maria und Wolfhart zurück zu ihren Plätzen in der Kathedrale begaben, verschwand Cagliari irgendwo im Schatten zwischen den mächtigen Säulen.
    »Na, was sagt Ihr?«, fragte Maria.
    »Ich bin noch ganz sprachlos.«
    »Das Schicksal scheint es gut mit Euch zu meinen!«
    »Ja, das muss wohl so sein!«
    »Es war also doch für etwas gut, sich von diesem unangenehmen Kerl untersuchen zu lassen. Wie eine Höllenkreatur sah er in seinen eigenartigen Kleidern und der Schnabelmaske aus. Und er hatte sich mit Tüchern eingewickelt, die in schrecklich stinkende Öle getaucht worden waren, sodass man kaum atmen konnte.«
    »Vielleicht hat dieser üble Geruch Euch vor der Pest bewahrt!«
    »Davon verstehe ich nichts. Und ich würde mir an Eurer Stelle auch zweimal überlegen, ob ich mit einem derart unangenehmen Menschen auch nur einen Augenblick länger als unbedingt notwendig in einem Raum bleiben würde. Aber das müsst Ihr selbst beurteilen.«
    »Jedenfalls bedanke ich mich sehr für Eure Unterstützung, Maria.«
    Sie drehte sich zu ihm um. Ihre Blicke trafen sich, und selbst hier in der Kirche fühlte sie jene besondere Anziehungskraft, die schon in der Kammer des Kontors zwischen ihnen gewirkt hatte. Maria erschrak im ersten Moment über die Intensität dieser Empfindungen. Aber dann fasste sie sich. »Ich habe das gerne getan«, sagte sie.
    »Ich glaube, wir sollten jetzt wieder unsere Plätze einnehmen. Ich kenne zwar den Ritus nicht so genau, der hier üblich ist, aber ich denke, er wird bald beginnen.«
    Wie zur Bestätigung von Wolfharts Vermutung fingen jetzt die Glocken an zu schlagen. Ihr Klang war sehr mächtig und ehrfurchtgebietend – und laut genug, um alle anderen Geräusche zu übertönen. Ein Gespräch war nicht mehr möglich. Aber das, so dachte Maria, war vielleicht auch ganz gut so.
    Inzwischen tat sich bereits etwas auf der Galerie des Kaisers. Seine Wächter und engsten Vertrauten hatten dort bereits Aufstellung genommen. Wenig später traf auch der Herrscher selbst ein. Vielleicht lag es am Licht, aber Maria kam es so vor, als hätte die Anzahl grauer Strähnen in Kaiser Konstantins Bart während der bisher kurzen Zeit seiner Regentschaft schon deutlich zugenommen.
    Er trug eine goldbesetzte Krone und ein Gewand, das so prächtig mit Brokat und Gold verziert war, wie man es sich

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