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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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regelrecht zusammen, und sie legte den Bleistift zur Seite.
    »Wer ist dort?«, fragte sie.
    »Ich bin es, Wolfhart«, kam es von der anderen Seite der Tür.
    »So tretet ein. Die Tür ist nicht verschlossen.«
    Knarrend öffnete sich die Tür aus schwerem, dunklem Holz, und Wolfhart trat etwas zögerlich ein. Maria schluckte unwillkürlich. Seit den Ereignissen in der Hagia Sophia hatten sie sich nicht oft und wenn, dann nur beiläufig gesehen. Davon abgesehen hatte ihre Hauptsorge ihrem Bruder gegolten, denn er war nur schwer zu überzeugen gewesen, das Verbot, sich in den Straßen zu zeigen, nicht einfach zu missachten. Davide hatte Marco klarzumachen versucht, dass sie letztlich von der Gnade des Kaisers abhängig waren. Mochte Niccolò Andrea auch vor zweihundert Jahren dem Kaiserhaus bei der Rückeroberung geholfen und sich dabei große Verdienste erworben haben, so war das keine Garantie dafür, dass man sich auf immer angemessen daran erinnerte. Zudem gab es in der Stadt inzwischen durchaus eine Stimmung, die sich gegen alle richtete, die römischen Glaubens waren oder die man aus sonst irgendeinem Grund als Fremde ansehen mochte. Und das waren sie leider geblieben – Fremde trotz all der Zeit und all der Verdienste, die sich die Angehörigen des Hauses di Lorenzo erworben hatten.
    Auch wenn es sich kein Kaiser Konstantinopels erlauben konnte, alle Genueser der Stadt zu verweisen, so konnte er das mit Einzelnen unter ihnen durchaus tun. Und sei es nur, um scheinbar der wachsenden Fremdenfeindlichkeit unter seinen Untertanen nachzugeben. Denn noch dringender als die Unterstützung der genuesischen Kaufleute brauchte jeder Kaiser die der Einwohner Konstantinopels. Wie es schien, konnte sich Kaiser Konstantin der Treue von beiden nur zum Teil sicher sein.
    »Schließt die Tür hinter Euch, Wolfhart.«
    »Wenn Ihr meint.«
    Maria erhob sich von ihrem Platz. Sie rieb ihre plötzlich feucht gewordenen Handflächen am Stoff ihres Kleides, während Wolfhart die Tür ins Schloss gehen ließ.
    Dann trat er etwas näher – ebenso befangen wie sie. »Ich wollte mich eigentlich nur noch einmal für Eure Hilfe bedanken, was die Übergabe des Empfehlungsschreibens angeht.«
    Sie zuckte mit ihren schmalen Schultern. »Es war eine Gelegenheit. Sie einfach ungenutzt verstreichen zu lassen wäre doch sträflich gewesen!«
    »Ja, das mag sein. Allerdings habt Ihr eigentlich nichts mit meinen Ambitionen zu tun, Pestarzt zu werden.«
    »Doch«, sagte sie nun mit großem Ernst und machte einen Schritt auf ihn zu, dessen Größe für eine Dame ihres Standes gerade noch vertretbar erschien. »Das geht mich mehr an, als Ihr glaubt. Ich hoffe so sehr wie sonst niemand, dass es Euch tatsächlich gelingt, eine Behandlung zu finden, die diese Krankheit vertreibt. Ich spüre sehr wohl, dass Ihr all die Anstrengungen nicht um Euer selbst willen auf Euch genommen habt, sondern um künftig das Leiden zu mindern.«
    »Ja, das ist wahr«, gab er zu. »Ihr habt meine Beweggründe gut zusammengefasst.«
    »Und hat unser Herr Jesus nicht gesagt: Was ihr dem Geringsten unter euch getan habt, das habt ihr mir getan?«
    »Und die Pestkranken sind ganz gewiss die Allergeringsten unter allen menschlichen Geschöpfen, denn sie haben bisher keinen Grund zur Hoffnung. Und dabei spielt es eigenartigerweise keine Rolle, ob sie von hohem oder niedrigem Stand sind. Dieses Grauen macht sie alle gleich erbärmlich …«
    »Aber vielleicht wird Euer Einsatz ja belohnt, Wolfhart. Ich wünsche es mir sehr, auch wenn all das, was Ihr vielleicht erreichen könnt, für meine Eltern und so viele andere zu spät kommen wird.«
    Sie schwiegen.
    Ihre Blicke fanden sich, und erneut spürte Maria diese besondere Anziehungskraft zwischen ihnen. Ihretwegen hatte sie sich in den letzten Tagen von ihm ferngehalten. Aber das hatte nichts an den Tatsachen geändert. Und ihm schien es nicht anders zu gehen.
    »Noch ist keine der Palastwachen hierhergekommen, um Euch abzuholen«, murmelte sie.
    »Im Moment durchstreifen die Palastwächter und Gardisten die Straßen der Stadt aus ganz anderen Gründen, und Ihr solltet froh sein, wenn sie Euer Haus übergehen, Maria.«
    »Ja, ich weiß«, sagte Maria. »Man sucht die Verschwörer, die den Patriarchen umzubringen versucht haben, und wird dies wohl als Vorwand nehmen, um jeden bekannten Gegner der Kirchenunion einzukerkern, dessen man habhaft werden kann. Ich fürchte nur, dass sie zu zahlreich sind.«
    Was rede ich da?, ging es ihr

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