Medicus von Konstantinopel
sich in die Andacht zu versenken!«
»Nun, ist es nicht nach deinem Geschmack? Das Übel mit dem Übel und Satan mit den Mitteln des Satans zu bekämpfen?«, erwiderte Maria spitz. »Aber ich weiß nicht, ob das bei dem, was du zurzeit versuchst, auch klappt.«
»Was meinst du damit?«
»Den Reichtum zu bewahren, indem man ihn verschwendet.«
Maria zog Wolfhart mit sich. Urban sagte irgendetwas in seiner Muttersprache, wovon Maria nichts verstand. Wolfhart erwiderte nur sehr knapp ein paar Worte. Vermutlich hatte der Kanonengießer dem Wortgefecht zwischen den Geschwistern sprachlich nicht so ganz folgen können, da seine Kenntnisse italienischer Mundarten dafür wohl doch nicht ganz ausreichten.
»Ihr traut Euch was!«, sagte Wolfhart an Maria gerichtet, während sie sich durch die Kirchenbänke drängten.
Maria hob dabei ihr edles Kleid leicht an. »Achtet darauf, dass uns Euer heilendes Idol nicht davoneilt!«, meinte sie. »Ich bin gerade gezwungen, mein Augenmerk auf andere Dinge zu richten.«
Als sie Fausto Cagliari erreichten, war Jason Argiris bereits verschwunden. Sein Platz wäre ohnehin auf der Galerie des Kaisers.
Der Pestarzt wirkte sehr nachdenklich. Eine strenge Linie zog sich senkrecht über die Stirn und endete schließlich am Nasenansatz. Sein Blick war finster. Finster, aber nicht kalt, wie Maria ihn damals während der Untersuchungen empfunden hatte.
»Meister Cagliari!«, sprach sie ihn an, während sich der hagere Mann bereits zum Gehen gewandt hatte und sich anschickte, zwischen den Säulen zu verschwinden.
Er drehte sich um, wirkte misstrauisch, ja fast feindseilig.
»Wer will mit mir sprechen?«
»Ich bin Maria di Lorenzo, und Ihr habt mich vor noch gar nicht so langer Zeit auf Zeichen der Pest hin untersucht.« Vielleicht wäre ich ihm besser in Erinnerung geblieben, wenn ich tatsächlich solche Zeichen getragen hätte, dachte Maria. Und der Eindruck, dass er sie seinerzeit tatsächlich nur mit einem unmenschlich kalten Interesse an der Auffindung von Beulen im Frühstadium angeschaut hatte, bestätigte sich nun.
»Ich schaue viele Leiber an«, sagte er. »Tote und lebendige.«
»Maria di Lorenzo, Erbin des Handelshauses di Lorenzo, das einst vom ruhmreichen Niccolò Andrea gegründet wurde!«, versuchte sie, ihm auf die Sprünge zu helfen.
»Mich interessiert der irdische Ruhm nicht«, sagte Cagliari. »Weder mein eigener noch der von anderen. Und falls Euch irgendwelche Symptome des Unwohlseins plagen, so wendet Euch an einen meiner zahlreichen Quacksalber-Kollegen, die Ihr auf jedem Markt antreffen könnt! Ich kann nichts für Euch tun …«
»Meister Cagliari, ich möchte Euch einen Kollegen vorstellen, der ebenso an der Erforschung der Pest interessiert ist wie Ihr und der Euch sehr bewundert. Er hat in Erfurt studiert und …«
Cagliari wandte sich an Wolfhart. »Ihr seid der Mann, von dem diese junge Frau spricht?«, unterbrach er Marias Redefluss.
»So ist es. Ich habe ein Empfehlungsschreiben von Magister Munsonius bei mir, der sich rühmt, Euch zu kennen, und der Euch über alle Maßen als Gelehrten schätzt!«
»Magister Munsonius …« Die Augen des grauhaarigen Mannes wurden sehr schmal. »Ich erinnere mich dunkel. Ein einfältiger Geist – aber ganz amüsant, auch wenn er zum endlosen Schwadronieren neigt und ihm im Lateinischen ein paar charakteristische grammatische Fehler einfach nicht abzugewöhnen sind!« Ein kurzes Lächeln flog nun über sein Gesicht. »Wie ich jetzt an Euch höre, scheint er dieses Unglück auch auf Generationen seiner Lateinschüler zu übertragen.«
»Hier ist das Empfehlungsschreiben«, sagte Wolfhart, »wenn ich es Euch höflichst überreichen darf …« Er hatte das zusammengerollte und versiegelte Dokument bereits zuvor unter seinem Wams hervorgeholt und reichte es Cagliari mit einer angedeuteten Verbeugung.
Der Pestarzt nahm es ohne sonderlich großes Interesse entgegen. »Wo residiert Ihr zurzeit?«
»Ich genieße die Gastfreundschaft des Hauses di Lorenzo.«
»Er wohnt im Kontor am Eutherios-Hafen«, ergänzte Maria schnell. »Unser Haus in Pera ist ja ausgebrannt, weil …«
»Weil dem Pestdämon Einhalt geboten werden musste?«, unterbrach Cagliari sie.
»Ja. So könnte man es sagen. Es wundert mich nur, dass Ihr von einem Dämon sprecht. Ich dachte, Euresgleichen tut das nicht und sieht eher kühl darauf, ob und wenn ja, welche Gesetze der Natur walten, wenn die Krankheit um sich greift.«
»Wer sagt Euch, dass es
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