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Medicus von Konstantinopel

Medicus von Konstantinopel

Titel: Medicus von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Walden
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müssen.
    »Wie schon gesagt«, nahm er den Faden wieder auf, »ich hatte den Eintritt in einen Orden erwogen, und doch war da immer etwas, das mich davon abhielt.«
    »Was? Fehlt es an Gottvertrauen? Oder ist es die Furcht, gewisse Einschränkungen durch das Gelübde nicht erfüllen zu können?«
    »Nenn mir einen Menschen, der die Pest erlebt hat und dessen Gottvertrauen nicht erschüttert wurde, Maria!«
    »Oh, da fällt mir durchaus jemand ein.«
    »So?«
    »Pater Matteo da Creto. Seit er die Pest erlebte und von ihr genas …«
    »Er genas?«
    »Manche sehen als es als ein Wunder an.«
    »Vielleicht ist es das auch. Aber wie viele unter Abertausenden haben die Stärkung an Leib und Geist durch ein solches Wunder erlebt? Vielleicht eine Handvoll … aber um ehrlich zu sein, waren es nicht Glaubenszweifel, die mich davor zurückschrecken ließen, die Kutte zu tragen – und schon gar nicht die Armut, die mich ja wohl so oder so getroffen hätte.«
    »Sondern?«
    »Der Gehorsam. Vermutlich wäre es mir sehr schwer gefallen, mich in ihm zu üben. Die Gedanken müssen frei sein, und der Drang nach Erkenntnis verträgt keine Fesseln.«
    Maria nickte. »Ja, das leuchtet mir ein.« In ihren Augen blitzte es, als sie schließlich fortfuhr: »Und was ist mit dem dritten Gelübde, das Mönchen auferlegt wird?«
    »Du meinst die Keuschheit?«
    »Ja.«
    Er lächelte. »Das hätte ich spätestens jetzt bereut, fürchte ich.«
    Maria zuckte mit den Schultern. »Andererseits heißt es, dass sich viele geweihte Herren nicht so genau daran halten.«
    »Angeblich soll die Stadt Rom zurzeit das größte Bordell des Abendlandes sein.«
    »Darüber spricht man sogar hier in Konstantinopel!«
    »Wahrscheinlich wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, wann der erste Papst seinen eigenen Sohn zum Nachfolger zu machen versucht, nicht anders als bei Königen und Kaisern.«
    »Mag sein.«
    »Aber in einem könntest du sicher sein: Wenn ich einen Eid oder ein Gelübde ablegen würde, dann nicht mit dem Vorsatz, dagegen zu verstoßen.«
    Maria sah ihn an. Sie mochte die Aufrichtigkeit, die er ausstrahlte und die ein wesentlicher Teil seines Wesens zu sein schien. »Dann bin ich ja froh, dass wir uns noch rechtzeitig begegnet sind«, sagte sie, beugte sich vor und berührte ihn leicht am Kinn. Dann küsste sie ihn auf die Lippen. Zuerst sehr vorsichtig und zart, dann fordernder.

Elftes Kapitel

    Im Angesicht des Pestdämons
    Am folgenden Tag sahen sich Maria und Wolfhart kaum. Das zeitweilige Verbot, die Häuser zu verlassen, brachte einiges an Ungemach mit sich. Schiffe konnten nicht entladen werden, und Ware verdarb im Eutherios-Hafen.
    Von Davide erfuhr Maria jedoch, dass in der Nacht ein Schiff den Hafen verlassen hatte.
    »Thomás hat das aus seiner Kammer beobachtet«, erklärte der Schreiber.
    Die Kammer, die der ehemalige Gardist bewohnte, befand sich im obersten Geschoss eines Nebengebäudes auf der Ostseite des Kontors. Es hatte die Form eines Turms und hatte früher wohl zu den Verteidigungsanlagen der Stadt gezählt, die für den eher unwahrscheinlichen Fall eines Angriffs von See aus errichtet worden waren. Wikinger und Araber hatten das vor langer Zeit versucht und dafür einen hohen Preis zahlen müssen. Seitdem war niemand mehr kühn genug gewesen, etwas Vergleichbares zu wagen – oder es hatte einfach keine Gegner mehr gegeben, deren Flotten auch nur annähernd stark genug für ein derartiges Unternehmen gewesen wären.
    »Thomás meint, dass eine sehr hochgestellte Persönlichkeit die Stadt verlassen haben musste, denn es gab zahllose Reiter und Wagen im Hafen. Das kann nicht unbemerkt geschehen sein.«
    »Das bedeutet, die Gardisten haben davon gewusst und es geschehen lassen.«
    »Zweifellos«, nickte Davide. »Thomás meint sogar, dass sie daran beteiligt waren und bei der Sicherung geholfen haben.«
    »Aber wer sollte das gewesen sein?«, fragte Maria. »Eigentlich kann es sich doch nur um den Kaiser gehandelt haben! Meint Ihr wirklich, dass er die Stadt in dieser Lage verlassen würde?«
    »Der Kaiser oder der verletzte Patriarch«, meinte Davide. »Vielleicht fürchtet er um sein Leben und fühlt sich einfach nicht mehr sicher innerhalb der Mauern dieser Stadt. Aber wir werden es sicher bald erfahren.«
    Maria begegnete Wolfhart nur kurz, während sie über den Innenhof des Kontors ging. Es war keine Gelegenheit, sich zu unterhalten, geschweige denn für mehr. Zu viele Augen waren auf sie beide gerichtet, und sie

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