Medienmuendig
unmittelbaren Begegnung mit Ihnen freuen, dass alle grotesken Vermarktungslügen ins Leere laufen.
Mit dem Lob der Muße und Geduld, dem Plädoyer für Zeit und Spielraum soll natürlich nicht gesagt sein, dass Abwarten
immer
gut ist. Es gibt auch Lernfelder, in denen ein früher Beginn richtig und wichtig ist. So klar »Frühförderung« abzulehnen ist, wenn es um den Umgang mit suchterzeugenden Substanzen geht, so eindeutig ist sie zum Beispiel im Bereich der Fremdsprachen sinnvoll. Niemand schlägt vor, dass ein Kind möglichst früh mit dem Heroinkonsum beginnen sollte, um »Heroinkompetenz« zu erlangen. Aber damit deutsche Kinder besser Englisch lernen, hat man unlängst den Beginn des Fremdsprachenunterrichts von der fünften auf die dritte Klasse, in einigen Bundesländern sogar auf die erste Klasse verlegt, und das ist gut so. Sinnvolle Frühförderung gibt es also.
Aber wie ist es mit den Bildschirmen? Sie sind nicht wie Englisch, aber auch nicht wie Heroin, das ist klar. Sie liegen irgendwo dazwischen. Es gibt aber Erkenntnisse, die bestimmte Formen des Bildschirmmedienkonsums neuerdings näher beim Heroin einordnen. Im nächsten Kapitel wird es daher um Vorbeugung gegen verschiedene Süchte gehen, dann um Computerspielabhängigkeit als Beispiel für Mediensucht und danach noch einmal um erste Gedanken zur Mediensuchtprävention.
KAPITEL 3
Suchtprävention braucht menschliche Begegnung
Wenn Menschen nicht finden, was sie begehren, dann begnügen sie sich damit, zu begehren, was sie finden.
GUY-ERNEST DEBORD
Prävention bedeutet Vorbeugung, und Vorbeugen ist bekanntlich besser als Nachsorgen, sagt der Volksmund. Ganz so einfach ist es aber nicht. Es kommt darauf an, dass Therapie und Prävention, also Behandlung und Vorbeugung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Wie das gemeint ist, soll am Beispiel Diabetes kurz erläutert werden.
Typ-2-Diabetes, also die Form der Zuckerkrankheit, die früher »Alterszucker« genannt wurde, weil sie praktisch nur bei älteren Menschen auftrat, nimmt heute bei Jugendlichen rasant zu. Alle sind sich einig, dass dagegen etwas getan werden soll. Es gibt aber nicht unbegrenzt Geld und Personal. Was tun?
Man könnte die Therapiemöglichkeiten für jugendliche Diabetiker verbessern, Screenings zur Früherkennung einführen, Methoden zur Insulingabe verfeinern. Man könnte aber auch Forschung und Aufklärung über die Ursachen von Jugenddiabetes fördern und so dazu beitragen, dass durch gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung das Entstehen der Krankheit verhindert wird.
Beides ist wichtig. Das erste sind Verbesserungen der Therapie, man könnte auch sagen: »Symptombekämpfung«, das zweite Verbesserungen der Prävention, also »Ursachenvermeidung«. Die Früherkennung einer Krankheitsneigung mit entsprechendenProgrammen für Risikogruppen wird zwar von manchen auch noch Prävention genannt, und zwar sekundäre Prävention, davon klar zu unterscheiden ist jedoch die primäre Prävention, die Vorbeugung im eigentlichen Sinne: Diese sorgt dafür, dass die Krankheit gar nicht erst entsteht. Bei Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, die es früher bei Jugendlichen praktisch nicht gab, die also sehr klar »zivilisationsbedingt« sind, wird man sich schnell einig, dass die Prävention gegenüber der Therapie im Vordergrund stehen sollte. Das darf nicht heißen, dass man jugendliche Diabetiker unzureichend behandelt, sondern dass die Mittel angemessen verteilt werden.
Aber wer entscheidet, was »angemessen« ist? Einmal angenommen, es würde für Diabetes bei Jugendlichen fast ausschließlich Symptombekämpfung finanziert, käme sofort die Frage auf: Wem nützt das, wer hat denn ein finanzielles Interesse an der Erhaltung des Status quo? Mindestens zwei Industriezweige stünden im Verdacht, ihre Finger im Spiel zu haben, nämlich die Pharma-Industrie und die Süßwarenhersteller. Ein solches Ausbremsen der Vorbeugung zur Vermeidung von Umsatzeinbußen wäre regelrecht kriminell zu nennen.
Auch im Bereich der Abhängigkeitserkrankungen ist die Unterscheidung zwischen therapeutischen und präventiven Ansätzen wichtig. Vorgehensweisen, die in der Suchttherapie zum Erfolg führen, können in der primären Prävention das Gegenteil bewirken. Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie holen einen Erstklässler von der Schule ab und lesen an der Tafel: 5 gute Gründe, Alkohol zu trinken: Ich kann gemeinsam mit meinen Freuden trinken. Mir wird schön warm. Ich kann
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