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Medienmuendig

Medienmuendig

Titel: Medienmuendig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Bleckmann
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meine Sorgen und mein schlechtes Gewissen vergessen. Ich kann zeigen, wie cool ich bin. Ich bin nicht so schüchtern wie sonst.
    Da bliebe Ihnen der Mund offen stehen. Auf Ihre Nachfrage würde der Erstklässler antworten: »Da war so ein Alkohol-Experte, der hat uns das aufgeschrieben und wir haben es alle ins Heft abgeschrieben.« Als Mutter oder Vater wären Sie empört, und mit Recht. Denn in der Therapie nach dem Entzug könntefür einen Alkoholiker das Niederschreiben solcher Statements durchaus hilfreich sein. Wenn der Therapeut dabei hilft, die unterdrückten Motive zu verstehen, die zur Abhängigkeit führten, kann er dem ehemaligen Alkoholiker besser helfen, andere Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, um das Rückfallrisiko zu verringern. Die Sätze sind also nicht falsch, sondern es sind die richtigen Sätze am falschen Ort: In den Schulheften von Sechsjährigen reduzieren diese Sätze eben nicht das Suchtrisiko, sondern sie erhöhen es.

Wie beugt man einer Sucht vor?
    Das Sprichwort habe ich schon weiter oben erwähnt: Früh übt sich, wer ein Meister werden will. Eindeutig nicht anwendbar ist der »Früh übt sich«-Grundsatz auf suchtartige Verhaltensweisen in verschiedenen Bereichen: Alkohol, Zigaretten, Drogen, Glücksspiel … Obgleich sich die Produzenten von Alkohol und Zigaretten diesen Erkenntnissen noch jahrzehntelang – und zum Teil unter Berufung auf sehr fragwürdige Quellen – versperrt haben, ist hier das Gegenteil der Fall: Früh übt sich, wer ein Sklave werden will. Wer wirklich ein Meister werden will, übt sich spät.
    Und bei den Medien? Welche Art von Maßnahmen ist zur Vorbeugung gegen Medienabhängigkeit geeignet? Um diese Frage zu beantworten, sind zwei Dinge nötig. Erstens, es müsste genauer beschrieben werden, was mit Medienabhängigkeit gemeint ist und in welchen verschiedenen Formen und Vorstufen sie vorkommt. Das werde ich weiter unten in diesem Kapitel ausführlicher am Beispiel der Computerspielabhängigkeit erläutern. Dann wird man zweitens vor der Schwierigkeit stehen, dass es für diese »neuen Süchte« bisher praktisch keine erprobten und bewährten Konzepte gibt, die ausdrücklich zur Vorbeugung gegen Medienabhängigkeit gedacht sind. Das Rad muss dennoch nicht neu erfunden werden: Warum nicht bei den guten und erfolgreichen Programmen zur Vorbeugung gegenandere Suchtformen abschauen? Beginnen wir also mit der zweiten Frage, mit Erfolgsrezepten und Irrwegen bei der Vorbeugung gegen andere Abhängigkeitserkrankungen.
    Beispiel Rauchen
. In Krankenhäusern und Arztpraxen liegen Broschüren aus, die Eltern und Lehrern klipp und klar sagen: Es geht darum, zeitlichen Aufschub zu gewinnen. Jedes Jahr, in dem ein Kind noch nicht mit dem Rauchen begonnen hat, ist ein gewonnenes Jahr. Wenn ein Jugendlicher mit 18 Jahren noch Nichtraucher ist, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit Nichtraucher bleiben oder höchstens Gelegenheitsraucher werden. Und wie wird dieser Aufschub erreicht? Erstens dürfen Zigaretten nicht an Kinder verkauft werden (Verkaufsverbote). Zweitens werden Werbeverbote als wirkungsvolle Präventionsinstrumente angesehen. Drittens wurde unlängst in einer Änderung des Jugendschutzgesetzes von 2007 das Mindestalter für Rauchen in der Öffentlichkeit von 16 auf 18 Jahre erhöht.
    Wer wie ich Mitte der 1980er Jahre Teenager war, kann sich vielleicht auch noch an eine andere Form der Prävention erinnern – die Abschreckungsmaßnahmen. Dazu kam dann ein Experte an die Schule, um einen kurzen Vortrag über die gesundheitlichen Auswirkungen des Rauchens zu halten. Er zeigte in der Regel wirklich sehr abschreckende Dias von einer Raucherlunge oder einem amputierten Bein. So lobenswert die Absicht bei diesen Maßnahmen war, so ernüchternd fielen allerdings die Ergebnisse aus: Frühe primärpräventive Ansätze zur Aufklärung und Abschreckung waren erfolglos. 69
    Es ist also nicht damit getan, in die Schulen zu gehen und den Jugendlichen zu erzählen, dass sie nicht rauchen, auch allgemeiner nicht prügeln, nicht trinken, nicht kiffen sollen, weil sie damit sich und andere gefährden. Oft wollen die jungen Männer ja gerade durch das Missachten von Ratschlägen und Regeln ihre Unabhängigkeit und »Coolness« zeigen. In keinem anderen Lebensalter ist das Risikoverhalten so ausgeprägt, und der mögliche Krebstod in ferner Zukunft hat als Argument bestürzend wenig Gewicht.
    Den bisher geschilderten Präventionsansätzen durch Zugangsbeschränkungen,

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