Medienmuendig
Werbeverbote und (unwirksame) Abschreckung war jedenfalls eines gemeinsam: Sie zielten darauf ab, unerwünschte und krankmachende Verhaltensweisen zu verhindern. Neuere und deutlich erfolgreichere Ansätze haben daher Gesundheitsförderung statt Krankheitsverhinderung als Motto. Diese sogenannten ressourcenorientierten oder psychosozialen Ansätze suchen nach Maßnahmen, die geeignet sind, Kinder zu stärken.
Im angloamerikanischen Raum liegen vielfältige Evaluationsbefunde vor, die zeigen, dass solche Programme den Einstieg in das Rauchverhalten um mehrere Jahre verzögern können. 70
Solche Präventionsansätze schneiden insbesondere in der langfristigen Bilanz deutlich besser ab.
Eine Zwischenform zwischen den Abschreckungsprogrammen und den Lebenskompetenztrainings sind die Standfestigkeitstrainings, in denen mit Schülern die Rolle des überzeugenden Nichtrauchers eingeübt wird. Im Rollenspiel übernehmen dabei einige Schüler die Rolle der »coolen« Raucher, die einen Klassenkameraden zum Rauchen überreden wollen (»Du traust dich ja bloß nicht!«). Andere Schüler − und dabei werden eigens Jugendliche mit hoher Sozialkompetenz als Modelle für die Nachahmung ausgewählt − versuchen im Rollenspiel diesen Anfechtungen zu widerstehen. Sie begründen, warum sie nicht rauchen wollen. 71
Nicht nur »Nein zum Rauchen«, sondern »Ja zum Leben« sagen lernen ist dagegen eine viel weitergehende Reform auf dem Weg zu einem anspruchsvollen und komplexen Ziel: Gesundheitsförderung.
Gesundheit fördern und nicht nur Krankheit verhindern
Aaron Antonovsky untersuchte in den 70er Jahren den Gesundheitszustand von Frauen mittleren Alters in Israel. Darunterbefanden sich auch zahlreiche Frauen, die das Grauen einer KZ-Haft überlebt hatten und bei denen man gravierende Spätfolgen hätte erwarten dürfen. Sehr zu Antonovskys Überraschung gab aber fast ein Drittel dieser Frauen an, sie befänden sich bei guter Gesundheit. Wie war das zu erklären? Hatten die Frauen, die allen widrigen Umständen zum Trotz gesund geblieben waren, irgendetwas gemeinsam? Antonovsky entwickelte ausgehend von diesen Untersuchungen das Konzept der Salutogenese. Dieser Fachbegriff geht auf das lateinische »salus« für Gesundheit und das griechische Wort »genese« für Entstehung zurück. 72
Sein eigentliches Forschungsziel war nicht, nach den spezifischen Ursachen zu suchen, die Menschen krank machen, sondern er fragte nun, wie und warum Menschen trotz schwerster Belastungen gesund bleiben oder wieder gesund werden. … Im Modell der Salutogenese kommt nach Antonovsky dabei dem Kohärenzgefühl die wichtigste Steuerungsfunktion zu. 73
Was ist nun dieses Kohärenzgefühl? »Kohärent« bedeutet zusammenhängend. Wer sein eigenes Leben als sinnvoll, verstehbar und durch eigene Tätigkeiten beeinflussbar erlebt, der hat gute Chancen, gesund zu bleiben und auch nach Krankheiten wieder gesund zu werden. Antonovsky nennt dies die drei Unterdimensionen des Kohärenzgefühls:
Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit
. Dabei hat »Sinnhaftigkeit« eine große Nähe zu dem, was andere vielleicht Glauben nennen würden. Zu einem solchen Ergebnis kommt auch der Gesundheitsforscher Roland Grossarth-Maticek. Nach seinen Berechnungen liegt der wichtigste positive Einzelfaktor für die Gesundheit in einer spontanen Gottesbeziehung. 74 Untersuchungen zur Resilienz, also zu einer etwas anderen Formulierung der Frage, was Kinder stärkt und Menschen überhaupt gesund erhält, bestätigen und ergänzen diese Überlegungen. 75 Eine zentrale Gemeinsamkeit ergibt sich: Immer wieder wird festgestellt, dass Menschen, die in der Kindheit zu mindestens einem Erwachseneneine enge, tragfähige, vertrauensvolle Beziehung aufbauen konnten, gegen vieles im Leben gewappnet waren. Eine große Rolle spielte auch die Einschätzung, durch das eigene Handeln im Leben einen Unterschied machen zu können. Und sonst? Hier eine Auswahl der wichtigsten Dinge, die erlebt und gelernt werden können, um »fit für die Zukunft« zu werden:
Tragfähige Beziehungen im echten Leben aufbauen
Selbstwirksamkeit erleben
Möglichkeiten kennen, mit Stress umzugehen
Eigene und fremde Gefühle wahrnehmen können
Möglichkeiten kennen, Probleme zu lösen
Sinnhaftigkeit erleben
Werden diese Fähigkeiten gestärkt, haben Programme Erfolg. 76 Die Art der Abhängigkeit, gegen die vorgebeugt werden soll, tritt dabei – erfreulicherweise − ganz in den
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