Medienmuendig
Reichtum nicht gemeint, sondern ob die Kinder ihr Aufwachsen innerlich als eine beglückende, reiche Zeit erleben. Haben sie Zeit und Spielräume zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit genossen? Haben sie Begeisterung erlebt und Verantwortung übernommen? Haben sie tragfähige Beziehungen zu anderen Menschen aufgebaut? Haben sie in der Familie erleben können, dass guteIdeen für eine bunte und vielfältige Gestaltung gemeinsamer Zeiten nicht von einem Bildschirm abhängen? Solche Kinder fühlen sich reich und sie merken selbst, dass sie etwas haben, das vielen anderen Kindern fehlt.
Oder haben die Kinder ihre Eltern als ideenlose, sauertöpfische Menschen erlebt, die ein Verbot aussprechen, weil sie ihrem Kind die Freude am Bildschirm nicht gönnen wollen? Diese Kinder fühlen sich arm, sie entwickeln vielleicht ein Defizitgefühl.
Besonders schlimm wäre es, wenn ein Kind erleben muss, dass der Kontakt zu einem geliebten Menschen wegen des Streits um Mediennutzung leidet oder gar abgebrochen wird. Die Gefahr besteht durchaus: Viele Alleinerziehende schilderten mir in den Interviews ihre Nöte mit getrennt lebenden Vätern, bei denen in Bezug auf Medien alles erlaubt ist (»der Papa will sich lieb Kind machen«). In Bezug auf das Muster der Suchtentstehung durch das Fehlen von Grenzen im Erziehungsverhalten ist es verständlich, dass bei den Müttern an dieser Stelle die Alarmglocken schrillen. Das ist eine extrem schwierige Situation, deren Lösung aber nicht darin liegen kann, dass nun der Kontakt zum Papa abgebrochen wird, sondern dass man sich zusammensetzt, um Änderungen im Erziehungsverhalten auszuhandeln. Immer wieder wurde auch von Omas und Opas gesprochen, die junge Eltern nötigten, die Enkel fernsehen zu lassen:
Es war wirklich am Anfang schon ein Problem. Ich musste mich ganz schön durchsetzen bei denen [den Großeltern] … ab und zu versuchen sie immer noch, mich zu überreden, ja das Kind muss doch mal Fernsehen gucken, so als ob ich irgendwie wirklich denen was vorenthalte, so einen Genuss.
Wenn Sie dieses Buch bis hierher gelesen haben, werden Sie sicher mehr als genug Argumente haben, um gegen das Ansinnen solcher Großeltern anzureden. Aber »Dagegen-Anreden« ist gar nicht gefragt. »Medienmündig« an Großeltern verschenken?Informieren ist natürlich keine schlechte Idee, aber man muss sich fragen, ob die Oma das auch lesen würde oder ob sie das Geschenk nicht eher als Bevormundung empfände. Eine junge Mutter erzählt, es habe sehr geholfen, dass sie eine DVD mit zwei Vorträgen von Manfred Spitzer (»Vorsicht Bildschirm«) an ihre Schwiegereltern verschenkt habe. Danach hätten die Großeltern endlich verstanden,
warum
sie sich als Eltern eine bildschirmfreie Kindergartenzeit für ihre Tochter wünschen. Es wird aber eher die Ausnahme sein, dass man Menschen, die flexibel genug sind, ihre Überzeugungen noch als Oma oder Opa so radikal zu überdenken.
Und für den Fall, dass Informationen nicht angenommen werden, dass kein Gespräch zustande kommt, dass scheinbar gar nichts »hilft« im Konflikt um Mediennutzung? Tun Sie zu Hause genau das, was Sie richtig finden, und geben Sie bei Besuchen bei Oma klein bei. Es ist meine Überzeugung, dass der Kontakt zur Großmutter für ein Kind wichtiger ist als die Frage nach einer Stunde Fernsehen mehr oder weniger. Überlegen Sie einmal, was das für eine wunderbare übergeordnete Botschaft ist, die Sie Ihrem Kind dadurch vermitteln: »Hier wird alles dafür getan, dass eine langjährige und wichtige Beziehung nicht an einem Konflikt zerbricht.« Auch nicht an einem Konflikt über Medien. Denn Beziehungen sind meinen Eltern wichtiger als Medien. Ein besseres Beispiel dafür, wie man nicht zum Außenseiter wird, können Sie für Ihr Kind kaum abgeben.
Zum Abschluss möchte ich noch einen Kinderbuch-Tipp weitergeben: Nadja, die wir aus dem vorigen Kapitel kennen, empfiehlt ein Buch, das für Kinder den Unterschied zwischen einem Verbot, das Möglichkeiten schafft, und einem Verbot, das Möglichkeiten verbaut, erfahrbar machen kann:
Ich kann auch für ältere Kinder, vielleicht so ab Schulalter, ein ganz wunderbares Buch 8 empfehlen. Da geht es genau um dieses Thema, ob man durch Fernsehverbot zum Außenseiter wird. Das handelt von so einem Jungen, Franz, der erst darunterleidet, dass seine Eltern da so streng sind, und der dann anfängt, sich in eine Lügengeschichte zu verstricken. Der erfindet da eine Fernsehserie, die es gar nicht
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