Medieval DeWarenne 03 - Der Wolf und die Lilie
war verwirrt - er schien praktisch aus dem Nichts aufzutauchen. »Von Euch brauche ich keine Lektion in Geschichte, Wolf Mortimer.« Allmächtiger, warum genügt allein seine Anwesenheit, um mich ungehalten werden zu lassen?
»Ihr habt Recht. Von einer Lektion in Manieren hättet Ihr viel mehr.« Er machte kein Hehl aus seiner Belustigung.
Sie verspürte das überwältigende Verlangen, das spöttische Lächeln aus seinem Gesicht zu tilgen. Ihr Blick wurde von seinem Mund angezogen, und es ärgerte sie, dass sie an seine Küsse denken musste. Er sah seinem Vater so ähnlich. Und doch unterschieden sie sich deutlich voneinander. Roger Mortimers Auftreten war von Eleganz und Charme geprägt. Von dem Mann vor ihr aber ging eine Aura ungezügelter animalischer Virilität aus. Tief in ihrem Inneren lauerte die Angst, sie könnte der großen Anziehungskraft des dunklen Teufels erliegen, wenn sie in ihrer Abwehr nachließ.
»Hat Euch mein Vater schon gesagt, dass ich jetzt mit Lincoln Robert de Warenne verlobt bin?« Sie sagt es in der Hoffnung, ihre Worte würden wie ein Schutzschild wirken.
»Eine geradezu ideale Wahl.« Er ließ zu, dass die Belustigung in seine Augen trat. »Ein so rechtschaffener junger Mann wird Euch mit Freuden Manieren beibringen.« In seinem Inneren freilich verkrampfte sich alles, als er erfahren musste, dass die stolze Schöne verlobt war. Und dass de Warenne Erbe einer Grafschaft war, vermehrte seinen Kummer. »Sicher missbilligt er, dass Ihr an den Hof der Königin geeilt seid.«
Die Wahrheit seiner Worte versetzte ihr einen Stich. »Als selbstständige Frau habe ich seine Bewilligung nicht nötig.«
»Armer Junge. Es ist abzusehen, dass Ihr mit ihm nach Belieben umspringen werdet.«
Sie hob ihr Kinn. »Verdammt, Wolf Mortimer. Wie könnt Ihr es wagen, Lincoln Robert einen Jungen zu nennen? Er ist nur ein Jahr jünger als Ihr!« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, als sie merkte, wie töricht sie waren. Sie unterstrichen nur den großen Unterschied zwischen den zwei Männern. De Warenne hätte keinem Vergleich mit dem jungen Heißsporn standgehalten, der jahrelang an der Grenze zu Wales Patrouillendienst geleistet hatte und aussah, als könne er seine Zähne in ein Schwert schlagen.
Briannas Brüste hoben und senkten sich erregt. Sie erstarrte entrüstet, als sie sah, dass der Blick seiner grauen Augen an ihrem Mieder hing. »Was zum Teufel gibt es anzustarren?«
»Ihr tragt einen keltischen Kiesel mit dem Abbild Shadows.« Er berührte den Stein. »Die Ähnlichkeit ist frappierend.«
Plötzlich atemlos benetzte sie ihre Lippen. »Die Wölfin steht für Macht, Verstand und geheimes Wissen. Meine Tante Jane, die Schottin ist, malte sie für mich, damit sie mich auf meiner Reise durch das Leben leitet und behütet.«
Er sah ihr in die Augen. »Glaubt Ihr an mystische Kräfte?«
»Ja, ich glaube an sie«, flüsterte sie.
Seine wilde Miene wurde sanfter. »Ich auch.« Er reichte ihr die Hand. »Kommt, ich bringe Euch zur Königin.«
Sie zögerte eingedenk ihrer Begegnung auf der Wehrmauer von Warwick, als er geschworen hatte, ihr beim nächsten Wiedersehen einen Kuss zu rauben.
Er las ihre Gedanken und lächelte keck. »Ich kann warten, auf den Kuss und alles andere, das ich von Euch bekommen werde.«
Sie atmete rasch ein, ob vor Erleichterung oder Enttäuschung wusste sie nicht. »Ihr seid ein walisischer Teufel, Wolf Mortimer.«
Er verdrehte die Augen. »Ihr habt ja keine Ahnung, Engländerin!«
8
»Der König ist da!«
Brianna entging die Enttäuschung in Isabeiles Ton nicht. Kaum waren sie nach ihrer Rückkehr von Saint Albans im oberen Hof von Windsor angelangt, als man überall König Edwards Gefolge sah. Brianna saß rasch ab und übergab Venus Simon Deveril. Dann trat sie an die Seite der Königin, sprach aber erst, nachdem Laurence Bagshot, der Reitknecht Isabeiles, dieser aus dem Sattel geholfen hatte. Als er zum Stalltrakt ging, lächelte Brianna der Königin aufmunternd zu. »Keine Angst, Euer Gnaden ... der verhasste Hugh Despencer wird nicht bei ihm sein.«
Isabelle fasste nach ihrer Hand, und Brianna staunte, wie eiskalt die Berührung war. Als sie das Zittern der Königin spürte, war ihr klar, dass sie etwas tun musste, um deren Selbstvertrauen zu stützen. Sie ging ihr in die königlichen Gemächer voraus, setzte sie in einen bequemen Sessel und schenkte ihr ein Glas Wein ein.
»Warum kann er mich nicht in Ruhe lassen? Es war ein so schöner Tag -
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