Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)
stärker bei Meditierenden. Die Aktivierungen waren besonders stark, wenn die Meditierenden angaben, dass es ihnen gelang, während der Meditation eine Haltung liebevollen Mitgefühls zu realisieren.
In einer Anschlussstudie konnten Lutz et al. (2009) zeigen, dass bei den Meditierenden während der Mitgefühlsmeditation eine verstärkte Kopplung zwischen der Aktivität im Inselcortex und der Herzaktivität bestand. Auch im somatosensorischen Cortex war die Aktivität bei den erfahrenen Meditierenden höher, was die Autoren als Hinweis darauf deuten, dass bei der Einfühlung in andere die eigenen Körpergefühle eine wichtige Rolle spielen. Die Meditierenden waren offenbar besser dazu in der Lage, die Emotionen der Personen in sich selbst nachzuvollziehen und entsprechende körperliche Reaktionen hervorzurufen.
Die Kultivierung einer positiven, mitfühlenden Haltung anderen gegenüber wirkt sich auch auf das Immunsystem aus. Bereits nach einem sechswöchigem Training in Mitgefühlsmeditation veränderte sich bei den Teilnehmern die emotionale und physiologische Reaktion auf einen standardisierten sozialen Stresstest, bei dem vor Publikum ein Vortrag zu halten ist (Pace et al., 2009). Jene Teilnehmer, die häufiger meditiert hatten, zeigten verminderte Stressreaktionen auf der eingesetzten Fragebogenskala und bei der Konzentration eines Immun-Markers im Blutplasma (Interleukin-6) .
Eine innere Haltung der Wertschätzung und Güte anderen gegenüber fördert die soziale Verbundenheit und reduziert Gefühle der Isolation. Hutcherson et al. (2008) fanden in einer Laborstudie heraus, dass bereits eine Übung in liebevoller Güte von nur wenigen Minuten Dauer die Verbundenheit zu unbekannten Personen steigerte und Gefühle der Fremdheit und des Misstrauens reduzierte. In der sorgfältig zusammengestellten Kontrollgruppe hatte eine neutrale Imaginationsübung gleicher Dauer keinen derartigen Effekt. Die Autoren betonen die Notwendigkeit weiterer Studien, um zu untersuchen, wie lange solche Trainingseffekte anhalten und wie sie sich auf die soziale Verbundenheit und prosoziales Verhalten im Alltag auswirken.
In der zwischenmenschlichen Kommunikation allgemein und in zahlreichen sozialen Berufen sind Einfühlungsvermögen und Wohlwollen anderen gegenüber von großer Wichtigkeit. Insbesondere Psychotherapeuten benötigen ein hohes Maß an Empathie. In ihrem Buch Achtsamkeit des Psychotherapeuten gehen Grepmair und Nickel (2007) ausführlich auf diese Thematik ein und berichten von einer Studie, in der ein Teil der Psychotherapeuten einer Klinik in Meditation unterwiesen wurde. Die Patienten hatten keine Kenntnis davon, welche Therapeuten Meditation praktizierten. Die Patienten der meditierenden Therapeuten zeigten anschließend einen größeren Fortschritt in der Therapie als die der Nicht-Meditierenden. Offenbar kann Meditation dienlich sein, die emotionale Klarheit und Empathie zu steigern und so den psychotherapeutischen Prozess zu unterstützen.
Auch wenn Sie selbst nicht als Therapeut arbeiten, können Sie Meditation nutzen, um Ihr Einfühlungsvermögen zu steigern und sich selbst und anderen gegenüber heilsame Haltungen zu entwickeln. Nach dieser langen Vorstellung von wissenschaftlichen Befunden ist es nun an Ihnen, mit entsprechenden Techniken zu experimentieren und die Auswirkungen auf Ihr Befinden und Ihr Zusammenleben mit anderen zu erkunden.
Meditationsübungen
Die Übungen in diesem Praxisteil sind von zweierlei Art. Zunächst folgen Übungen, die auf einen emotionalen Klärungsprozess abzielen. Sie dienen dazu, die Wahrnehmung von Körpergefühlen zu steigern und diesen mit Akzeptanz und Gleichmut zu begegnen. Auf diese Weise schaffen Sie die Voraussetzung für die anschließenden Meditationsübungen, die darauf ausgerichtet sind, bestimmte positive Haltungen und Gefühle zu entwickeln.
Dem Körper lauschen
Jedes Mal, wenn Sie sich zur Meditation hingesetzt haben, lassen Sie sich zunächst etwas Zeit, bevor Sie mit einer bestimmten Technik wie beispielsweise dem Zählen der Atemzüge beginnen. Lösen Sie sich von der Vorstellung, dass Sie irgendetwas aktiv machen müssten, um »richtig« zu meditieren. Die Umschaltung von einem Macher-Modus zu einem Modus der Anschauung und Bewusstwerdung erfordert ein Loslassen und Öffnen. Sobald Sie die Körperhaltung eingenommen und die Augen geschlossen haben, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Körper und nehmen wahr, was Sie in diesem Augenblick empfinden.
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