Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)

Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)

Titel: Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ott
Vom Netzwerk:
Entscheidungsprozesse aus.
    Körpersignale und Entscheidungen
    Das Ideal einer rationalen Entscheidungsfindung, bei der alle bekannten Faktoren und möglichen Konsequenzen der verfügbaren Alternativen sorgsam gegeneinander abgewogen werden, um schließlich die beste auszuwählen, dieses Ideal dürfte in der realen Welt eher die Ausnahme als die Regel sein. Komplexität, fehlende Informationen und Zeitdruck lassen eine vollständige Analyse der Lage und der potentiellen Auswirkungen einer Entscheidung oft nicht zu. Die meisten und gerade auch sehr wichtige Entscheidungen werden daher intuitiv, »aus dem Bauch heraus« getroffen (Zeuch, 2010).
    Erst in den letzten Jahren hat sich die Forschung in Zusammenhang mit der Management-Ausbildung näher mit der intuitiven Entscheidungsfindung befasst und mit der Möglichkeit, Intuition gezielt zu trainieren (Sadler-Smith & Shefy, 2007). Obwohl die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung zu intuitiven Denkprozessen noch in den Kinderschuhen steckt, zeichnet sich ab, dass Körpersignale dabei eine wichtige Rolle spielen könnten. Die Theorie der »somatischen Marker« von Damásio (1999, 2002) besagt, dass Änderungen des körperlichen Erregungsniveaus einen wichtigen Einfluss auf das Verhalten ausüben, indem sie uns signalisieren, ob eine Handlung mit großen Risiken behaftet ist. Damásio konnte in Gewinnspiel-Experimenten zeigen, dass Personen, die Warnsignale aus dem Körper nicht berücksichtigen, Risiken eingehen, die mit hohen Verlusten verbunden sind.
    Umgekehrt wird die Beachtung körperlicher Signale als Teil der emotionalen Intelligenz betrachtet und als wichtiger Baustein bei der Entwicklung intuitiver Kompetenzen (Sadler-Smith & Shefy, 2007; Zeuch, 2010). Meditationstechniken, die die Bewusstheit von Körperempfindungen steigern, sind anscheinend in der Lage, die emotionale Klarheit zu erhöhen (Nielsen & Kaszniak, 2006; Zeidler, 2007).
    Eine wichtige Zielsetzung der Meditation besteht darin, die vernachlässigte Körperwahrnehmung zu verbessern, damit einen Zugang zur »Weisheit des Körpers« zu eröffnen (Kabat-Zinn, 2006) und zu lernen, Gefühlen, Intuitionen und dem eigenen Gespür für Situationen und andere Menschen mehr zu vertrauen. Ein verstärktes »Selbstvertrauen« ist eine typische Auswirkung tiefer Meditation. Praktizierende berichten, dass sie bei tiefen Meditationserfahrungen zu sich kommen und ihre innere Mitte (wieder)finden (Müller, 1997). Dieser Aspekt wird im nächsten Abschnitt beleuchtet.
    Identität: gespürt – gespiegelt – gedacht
    Das Körpergefühl ist ein zentrales Element des eigenen Selbstbewusstseins und ein wichtiger Bezugspunkt unserer Ich-Identität. Die Überschrift dieses Abschnitts weist jedoch bereits darauf hin, dass unsere Identität weitere Facetten beinhaltet, die ebenfalls einen großen Stellenwert einnehmen.
    Eine Antwort auf die Frage »Wer bin ich?« kann lauten: Ich bin dieser Körper. Normalerweise identifizieren wir uns mit unserem physischen Leib, erkennen unsere äußere Gestalt leicht auf Fotografien und identifizieren uns damit: »Das bin ich!« Der Körper gehorcht unserem Willen, wir können ihn frei bewegen und uns selbst zwicken, um uns seiner Wirklichkeit zu vergewissern. Die Empfindungen und Gefühle aus dem Körper liefern einen steten und relativ stabilen Hintergrund für unsere bewussten Erfahrungen im Wachzustand (ein »Proto-Selbst« oder »Kernbewusstsein«; Damásio, 2002).
    Der Mensch ist jedoch nicht nur ein individueller biologischer Organismus, sondern vor allem auch ein soziales Wesen, das in einem Beziehungsgefüge lebt. Die sozialen Rollen, die wir im Lauf unseres Lebens einnehmen, werden ebenfalls Teil unserer Identität und Selbst-Definition als Kinder, Eltern, Partner, Berufstätige in bestimmten Funktionen etc. Ein großer Teil unserer Identität besteht aus solchen sozialen Rollen, aus dem, was andere uns als ihre Sicht von uns spiegeln.
    Für die Steuerung unserer Handlungen sind Spiegelungsprozesse von grundlegender Bedeutung, bei denen wir die Erwartungen der anderen an uns und ihre Reaktionen auf unser Verhalten innerlich vorwegnehmen. Und auch unser körperliches Selbstwertgefühl kann von sozialen Urteilen und Rückmeldungen aus der Umwelt stark beeinflusst werden. So bildet sich neben dem innerlich gespürten Selbst ein gespiegeltes »Image«, das wir pflegen und schützen, um nicht unser Ansehen, unser Gesicht zu verlieren.
    Das begriffliche Denken schließlich basiert

Weitere Kostenlose Bücher