Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)
auf grammatikalischen Strukturen, in denen wir als Subjekt, als »Ich« eine zentrale Position einnehmen. Das Denken kreist meist um die eigene Person, die fühlt, wahrnimmt, sich an vergangene Situationen erinnert, die Zukunft plant. Ich lese, ich denke nach und bilde Urteile, inwiefern das Geschriebene mit meiner Wahrnehmung von mir selbst und meiner Umwelt übereinstimmt. Die Satzstruktur von Subjekt, Prädikat und Objekt beinhaltet die Grundannahme eines Ichs, das Erfahrungen macht, Absichten verfolgt und Handlungen initiiert, um auf die Umwelt Einfluss zu nehmen. In den Kapiteln über das Denken und Sein wird darauf eingegangen, inwiefern es sich dabei um eine Konstruktion bzw. Fiktion handelt, um eine bestimmte Art des Daseins in der Welt neben anderen, die weniger egozentrisch ausgerichtet sind.
Meditation ist darauf gerichtet, sich die einzelnen Facetten der eigenen Identität bewusst zu machen. In diesem Kapitel geht es vorrangig darum, den Körper und die eigenen Gefühle klarer wahrzunehmen. Dies trägt zu einem stabilen Selbstbewusstsein bei, zu mehr Autonomie und Authentizität. Sie können mittels Meditation lernen, sich zu zentrieren und sich weniger leicht in sozialen Zwängen und Automatismen zu verlieren, wenn Sie anderen Menschen begegnen.
Die Leitfragen hierbei sind: Wer bin ich? Was ist jetzt? Was will ich wirklich? Wenn Sie erkennen, wer Sie sind, zu sich kommen und Ihre innere Mitte finden, können Sie beginnen, selbstbestimmter zu leben und Diskrepanzen zwischen Ihrem Wollen und tatsächlichen Tun zu reduzieren.
Doch wie lässt sich das wissenschaftlich untersuchen? Die Erforschung der einzelnen Facetten der Identität und ihrer Veränderung durch Meditation steht zwar noch am Anfang, aber es gibt bereits erste vielversprechende Studien. So nutzten Farb et al. (2007) zwei verschiedene Bedingungen, um verschiedene Formen des Selbstbezugs voneinander abzugrenzen. In einer Bedingung wurden den Probanden verschiedene Eigenschaftswörter präsentiert, und sie sollten angeben, inwiefern diese auf sie selbst zutreffen. In der zweiten Bedingung wurden die Probanden instruiert, ihr gegenwärtiges Empfinden wahrzunehmen. Die beiden Aufgaben führten jeweils zu unterschiedlichen Aktivierungsmustern im Gehirn. Wenn die Probanden sich als Person beurteilen sollten, nahm die Aktivität im mittleren vorderen Cortex zu, wohingegen die Wahrnehmung des Befindens unter anderem mit einer Aktivierung im rechten Inselcortex verbunden war. Nach einem achtwöchigen Kurs in Achtsamkeitsmeditation zeigte sich dort bei den Teilnehmern eine verstärkte Aktivierung, wenn sie ihre Empfindungen fokussierten. Die Aktivität im mittleren vorderen Cortex wurde dabei zugleich stärker gedämpft als in der Kontrollgruppe. Die Autoren interpretieren dies als ein durch das Training gesteigertes Vermögen, die verschiedenen Aspekte der Selbstwahrnehmung klarer voneinander zu trennen und das momentane Befinden besser abzurufen.
Weitere neurowissenschaftliche Studien haben sich mit der Möglichkeit befasst, mittels Meditation Reaktionsmuster auf Stress zu verändern und positive Gefühle anderen gegenüber zu entwickeln. Diese werden im nächsten Abschnitt vorgestellt.
Formbarkeit emotionaler Schaltkreise
In der biologisch orientierten Persönlichkeitsforschung zeigt sich, dass viele Aspekte unseres Temperaments einem starken genetischen Einfluss unterliegen. Unterschiedliche Anlagen und die darauf aufbauende Lerngeschichte der Kindheit und Jugend führen zur Ausbildung typischer emotionaler Reaktionsmuster, die zwischen Personen erheblich variieren. Die Art und Weise, wie mit Situationen umgegangen wird, ist individuell höchst verschieden. Jeder Mensch hat seinen eigenen »affektiven Stil«, seine Art und Weise, sich zu freuen, zu ärgern und auf Belastungen mit Angst, Trauer oder Wut zu reagieren.
Nicht nur die Intensität, auch die Dauer einer emotionalen Reaktion kann sehr unterschiedlich ausfallen. In den letzten Jahren hat sich die Forschung vermehrt mit der Frage beschäftigt, inwiefern wir in der Lage sind, unsere eigenen Emotionen zu regulieren (Ochsner & Gross, 2008). Dabei zeigt sich, dass die emotionalen Schaltkreise im Gehirn im Erwachsenenalter keineswegs fixiert sind, sondern ein hohes Ausmaß an Formbarkeit (Neuroplastizität) aufweisen. Für die psychotherapeutische Behandlung von Depressionen, Ängsten und anderen psychischen Störungen ist dies von grundlegender Bedeutung (Davidson, 2000).
Neben der
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