Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)
Aufmerksamkeitssteuerung ist die Emotionsregulation ein zentraler Aspekt des Meditationstrainings. Emotionen der Trauer, Angst oder Wut entwickeln sich insbesondere dann zu psychischen Störungen, wenn die primären Gefühle durch Bewertungsprozesse weiter verstärkt werden und es so zu einer Aufschaukelung kommt, bei der Grübeln und Selbstvorwürfe die Traurigkeit zur Depression steigern oder auf körperliche Angstsymptome mit verstärkter Angst und Katastrophenerwartungen reagiert wird.
Bei der Achtsamkeitsmeditation werden solche Reaktionsschleifen unterbrochen, indem sekundäre Bewertungen unterbleiben. Stattdessen werden die körperlichen Empfindungen mit einer Haltung des Gleichmuts kontinuierlich wahrgenommen und akzeptiert, so wie sie sind. Auf diese Weise werden Stressreaktionen weder unterdrückt noch verstärkt und klingen nach einiger Zeit von selbst wieder ab.
Diese Art des veränderten Umgangs mit Belastungen scheint positive Auswirkungen auf das Gehirn zu haben. In zwei Studien wurde belegt, dass Meditierende mehr graue Substanz (Hirnzellen) im Hippocampus aufweisen als Kontrollpersonen (Hölzel et al., 2008; Luders et al., 2009). Es ist bekannt, dass ein hoher Stresspegel sich negativ auf das neuronale Wachstum in dieser Hirnregion auswirkt. Meditierende sind anscheinend besser in der Lage, ihr vegetatives Erregungsniveau zu senken (Entspannung) und in belastenden Situationen Ruhe und Gelassenheit zu bewahren.
Der Hippocampus spielt als Teil des limbischen Systems eine wichtige Rolle bei der Beurteilung von Situationen und der emotionalen Reaktivität. Die strukturellen Unterschiede in dieser Region könnten einen Zuwachs an Kompetenz widerspiegeln, Situationen differenziert wahrzunehmen und die Erregung des vegetativen Nervensystems zu kontrollieren.
Der orbitofrontale Cortex ist eine weitere Struktur, die in diesem Zusammenhang relevant ist. In den beiden genannten Studien wiesen auch hier die Meditierenden mehr graue Substanz auf als die Kontrollpersonen. In der Studie von Hölzel et al. (2008) war die Dichte der Nervenzellen dort umso höher, je länger die Meditationspraxis andauerte. Diese Region wird mit dem Umlernen von emotionalen Reaktionen in Verbindung gebracht. Unangenehme Situationen lösen oft automatisch stereotype Reaktionsmuster aus. Das Erlernen neuer Verhaltensweisen, beispielsweise im Rahmen einer Psychotherapie, geht mit einer Aktivierung des orbitofrontalen Cortex einher (Schienle & Schäfer, 2006). Durch eine Hemmung automatischer Reaktionen eröffnet sich die Möglichkeit, das eigene Erleben zu reflektieren und Verhaltensalternativen zu prüfen, was für einen flexiblen und angemessenen Umgang mit der jeweiligen Situation eine wichtige Voraussetzung darstellt.
Wie oben bereits erwähnt, ist nicht auszuschließen, dass die Unterschiede bereits vor dem Training bestanden haben und dadurch zustande kommen, dass Personen mit mehr Nervenzellen in den entsprechenden Regionen eher mit der Meditation beginnen. Die erste Längsschnittstudie, in der Personen vor und nach einem Meditationskurs untersucht wurden, belegte Veränderungen im rechten Mandelkern (Hölzel et al., 2010). Diese Hirnstruktur ist insbesondere dann aktiv, wenn Reize verarbeitet werden, die Angst auslösen. Die Studie ergab, dass ein Abbau des Stresspegels mit einer Abnahme der Nervenzellendichte im rechten Mandelkern verbunden war, was als Konsequenz der geringeren Aktivierung interpretiert wurde. In den oben genannten Strukturen fand sich keine Zunahme der Nervenzellen, was auf die kurze Dauer des achtwöchigen Kurses zurückzuführen sein könnte. Studien zu Veränderungen der Hirnstruktur durch Meditation, die einen längeren Zeitraum umfassen, stehen bisher noch aus.
Die Emotionsregulation mittels Meditation beschränkt sich nicht auf den veränderten Umgang mit Trauer, Angst und Ärger, sondern beinhaltet darüber hinaus auch die Kultivierung von Mitgefühl und liebevoller Güte (Engl.: compassion und loving kindness ). Im Folgenden werden einige Studien vorgestellt, die die Auswirkungen eines solchen Trainings auf Hirnfunktionen und Gesundheit illustrieren.
Eine experimentelle Untersuchung von Lutz et al. (2008 b) nutzte affektive Geräusche, um Reaktionen des Mitgefühls bei Meditierenden und bei einer Kontrollgruppe auszulösen. Lautäußerungen, die bei Mitmenschen typischerweise Impulse zur Zuwendung, Fürsorge und Hilfe auslösen (Weinen, Schreien), aktivierten die entsprechenden Hirnregionen
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