Meditation für Skeptiker: Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst (German Edition)
Nehmen Sie die Wange, das Auge, die Augenbraue, die Schläfe und das Ohr wahr. Spüren Sie die Aktivierung der Wahrnehmungen, die mit Auge und Ohr verknüpft sind. Wiederholen Sie dieselbe Übung für die andere Seite und dann gleichzeitig für beide Seiten gemeinsam. Sehen Sie in die Dunkelheit der geschlossenen Augen, hören Sie die Stille des Raumes, in dem Sie sich aufhalten, riechen Sie die Atemluft, und spüren Sie den Geschmack in Ihrem Mund. Das Gesicht und die genannten Sinnesorgane gleichen Magneten der Aufmerksamkeit, auf die Sie sich besonders leicht konzentrieren können. Als letzte Übung in dieser Region versuchen Sie, das Innere des Kopfes wahrzunehmen. Spüren Sie in den Raum hinter den Augen, zwischen den Ohren, unter der Schädeldecke hinein. Können Sie dort etwas wahrnehmen?
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Nach der eingehenden Beschäftigung mit dem Kopf öffnen Sie Ihre Wahrnehmung nun wieder zum gesamten Körper hin. Folgen Sie dem Atem hinunter in den Brust- und Bauchraum. Verankern Sie Ihre Aufmerksamkeit im Bauch, und erhöhen Sie dann zusätzlich die Bewusstheit Ihrer Hände und Füße und Ihres Kopfes. Versuchen Sie Ihren Körper als Ganzes ins Bewusstsein treten zu lassen, ganz bei sich zu sein, eins mit Ihrem Leib. Mit der Zeit und wiederholter Übung wird es Ihnen immer besser gelingen, den Körper als Ganzes und als Einheit wahrzunehmen, sich darin zu Hause und wohl zu fühlen. Bei der Mini-Meditation am Ende des Kapitels zum Atmen wird es Ihnen bei Stufe 1 (Gewahrsein) und 3 (Ausdehnen) schon bald sehr viel besser gelingen, die Körperempfindungen und den Körperinnenraum als Ganzes zu erspüren.
Höchstwahrscheinlich haben Sie ganz automatisch schon beim Lesen die vorstehenden Übungsanweisungen innerlich nachvollzogen. Versuchen Sie nun, diese noch einmal mit geschlossenen Augen auszuführen. Ihre Aufmerksamkeit sollte dafür durch die Atemachtsamkeitsübungen des vorhergehenden Kapitels hinreichend geschult sein, um den Faden nicht oder jedenfalls nicht allzu oft und für längere Zeitspannen zu verlieren. Den Body-Scan können Sie auch mit einer gesprochenen Anleitung praktizieren. Dabei ist die Gefahr abzudriften reduziert, weil Sie immer wieder durch die Stimme zurückgeholt werden. Allerdings bringt diese Außensteuerung eine Abhängigkeit mit sich, die dem Ideal der Selbstregulation zuwiderläuft. Die Reihenfolge der Regionen und das Timing werden starr vorgegeben, und Sie haben nicht die Möglichkeit, Ihre innere Landkarte im selbstbestimmten Tempo zu durchwandern, also bei einigen Regionen länger oder kürzer zu verweilen, wenn Sie das möchten. Sollten Sie dennoch zum Einstieg mit einer Ansage üben wollen, dann finden Sie auf der Website zum Buch eine entsprechende Audio-Datei (MP3) mit einer gesprochenen Anleitung des Verfassers sowie Links und Informationen zu weiteren Anleitungen im Internet und auf kommerziell vertriebenen CDs.
Eine Körperregion als »Anker«
Beim Wandern mit der Aufmerksamkeit durch den Körper in der vorhergehenden Übung haben Sie sicherlich bemerkt, dass einige Regionen leichter und differenzierter wahrnehmbar sind als andere. Das liegt an der unterschiedlichen Dichte sensibler Nervenfasern. Füße und Hände sind als Kontaktflächen mit dem Boden und für die Handhabung von Gegenständen besonders gut innerviert. Die großen Hautoberflächen der Beine, der Arme und des Rückens sind dagegen viel spärlicher mit Nervenendigungen versorgt und dementsprechend weniger gut zu spüren.
Ebenfalls sehr gut innerviert und entsprechend großflächig im sensorischen Rindenfeld repräsentiert sind Lippen und Zunge, weil sie bei der Aufnahme und Zerkleinerung von Nahrung ein gutes Tastvermögen benötigen – ganz zu schweigen von der Lautbildung beim Sprechen und vom Küssen. Obwohl es daher sehr leicht ist, sich auf Lippen, Zunge und Gaumen zu konzentrieren, wird diese Region bei der Meditation kaum als »Anker« für die Aufmerksamkeit verwendet. Dies könnte daran liegen, dass die Tätigkeiten, die mit der Mundregion verbunden sind, eher als Ablenkung erfahren werden, wenn einem bei dem Gedanken ans Essen beispielsweise das Wasser im Mund zusammenläuft. Wie empfinden Sie das? Schließen Sie die Augen, legen Sie die Zunge oben an den Gaumen, und spüren Sie, wie die Lippen aufeinanderliegen. Wäre dies für Sie ein geeignetes Meditationsobjekt?
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Für die stille Sitzmeditation werden häufig die Hände als »Anker« der Aufmerksamkeit benutzt. Normalerweise liegen die
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