Medusa
beugte. In ihren Augen loderte das Feuer des Wahnsinns. Der Grieche wand und krümmte sich, doch Irene schien über unglaubliche Kraftreserven zu verfügen. Hannah richtete das Gewehr in die Luft und feuerte. Irenes Kopf flog herum, und eine Sekunde lang verringerte sich der Druck auf Gregoris Kehle. Das genügte dem Geologen, um sich dem mörderischen Griff zu entwinden. Mit einem gezielten Schlag schleuderte er die Furie von seiner Brust und erhob sich hustend und nach Luft ringend. Hannah wollte ihm zur Hilfe eilen, doch da traf sie ein gewaltiger Schlag, der ihr die Beine unter dem Körper wegfegte. Das Schnellfeuergewehr entglitt ihren Händen und wirbelte im hohen Bogen durch die Luft, ehe es mehrere Meter entfernt im grünen Dämmerlicht aufschlug. Sie selbst fiel hart zu Boden und schrie auf. Ein Schatten war über ihr und stürzte sich mit raubtierhafter Geschwindigkeit auf sie. Instinktiv rollte sie sich zur Seite.
»Malcolm, du verfluchter Schweinehund«, fauchte sie ihn an, während sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht fegte und auf die Füße sprang. »Hast du völlig den Verstand verloren? Was ist nur in dich gefahren?« Sie versuchte ihrer Stimme einen weichen, versöhnlichen Klang zu geben. »Wir können über alles reden. Ich will doch nur euer Bestes«, säuselte sie. »Wir müssen so schnell wie möglich weg von hier. Kommt einfach mit uns mit. Wir haben einen zweiten Ausgang gefunden, der uns zurück an die Oberfläche bringt. Alles wird gut. Vertrau mir, Malcolm. Nur dieses eine Mal.«
»Gib uns den Stein.« Der Aufnahmeleiter, der immer noch dort kauerte, wo sie eben gelegen hatte, streckte gierig seine Pranke aus. »Gib ihn her, dann wird euch nichts geschehen. Wenn wir den Stein haben, lassen wir euch gehen, andernfalls werdet ihr sterben.«
Hannah war verzweifelt. Keines ihrer Worte drang zu ihm durch. Nichts und niemand schien ihn aus seinem Wahn erlösen zu können. Obendrein hatte Patrick sich jetzt ihre Waffe gekrallt und gesellte sich, teuflisch grinsend, zu ihnen. Zusammen mit Irene, die auch schon wieder auf den Beinen war, ergab sich ein Kräfteverhältnis von zwei zu drei.
Hannah hob die Ledertasche in die Höhe und sprach langsam und deutlich. »In Ordnung«, sagte sie, »ihr habt gewonnen, der Stein gehört euch. Folgt mir zum Ausgang, und ihr werdet ihn erhalten, ohne Kampf und ohne Blutvergießen.« Dann kam ihr eine Idee. »Der Stein hat zu mir gesprochen«, verkündete sie. »Er wünscht, dass ihr die Waffe senkt. Schließt Frieden mit denjenigen, die nicht in der Lage sind, seine Weisheit zu erkennen. Übt Nachsicht mit den Ungläubigen, und seid friedlich. Das sind die Worte von Anethot, Imlaran und Farass , der dreigeteilten Göttin!«
»Du meine Güte, was faselst du denn da für einen Unsinn«, flüsterte Gregori.
»Psst! Ich spiele das Spiel auf ihre Art«, zischte sie.
Zu ihrer großen Erleichterung erzielten die Worte die gewünschte Wirkung. Die Anspannung wich aus den Gesichtern ihrer Widersacher, und Patrick ließ sogar die Waffe sinken. Es war wie ein Wunder.
»Es klappt, Hannah, sprich weiter«, flüsterte Gregori und legte seine Hand auf ihre Schulter. Sie lächelte und schickte sich an, mit ihrer Rede fortzufahren, da ließ ein Erdstoß den Boden unter ihren Füßen erzittern. Staub rieselte von oben herab, drang in ihre Nase und ihre Augen. Sie musste niesen und senkte für einen Augenblick den Beutel mit seinem kostbaren Inhalt. Es war ein verhängnisvoller Augenblick, und noch viele Jahre später fragte sie sich, was wohl geschehen wäre, hätte sie in diesem Moment die Kontrolle über die Situation behalten.
Ein Schuss krachte. Gleichzeitig spürte sie, wie Gregori sich in ihre Schulter verkrallte und sie zu Boden zog. Wie in Zeitlupe entglitt die Ledertasche ihren Händen. Das Nächste, was sie sah, war Patricks triumphierendes Lächeln, als er breitbeinig über ihr stand, die rauchende Waffe in der einen Hand und die Ledertasche mit ihrem wertvollen Inhalt in der anderen. Gregoris Körper fühlte sich schwer und leblos an. Ein kurzer Blick bestätigte ihr, dass er tot war. Niemals wieder würde sie sein Lachen hören, niemals wieder seine warme Hand spüren.
Eine Woge der Trauer überkam sie. Trauer und unbändige Wut. Wut darüber, dass sie einen Freund verloren hatte, Wut darüber, dass sein Lachen verlöscht war, und Wut darüber, dass das alles ein Akt von vollendeter Sinnlosigkeit war. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, während
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