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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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kniff die Augen zusammen. Schon wieder Sterne. Schlangen und Sterne. Jede Menge, und zwar in jeder erdenklichen Konfiguration und Ausrichtung. Was verbanden die Menschen nur mit diesen beiden Symbolen? War es eine besondere Sprache, ein Kult? Schon im Tassili N’Ajjer war ihm die Häufung dieser Symbole aufgefallen, nur hatte er dort vermutet, dass es sich um einen ausgeklügelten Wegweiser zum Tempel handelte. Doch hier, in unmittelbarer Umgebung des Heiligtums, tauchten die Symbole wieder auf. Er hatte sie in der Krypta bemerkt, am Tempel selbst und nun hier. Sie waren allgegenwärtig. Aber solange er keine weiteren Informationen besaß, musste das Rätsel warten. Was ihm hingegen auffiel, war die deutliche Wiederholung ein und desselben Sternzeichens. Er hätte schwören können, es irgendwo schon einmal gesehen zu haben, und zermarterte sich den Kopf, doch er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wo das gewesen sein mochte. Er starrte die Symbole an, bis seine Augen tränten, dann erhob er sich seufzend. Es hatte keinen Sinn. Dadurch würde er den Zeichen niemals ihre Botschaft entreißen. Es musste einen anderen Weg geben.
    Als Nächstes begann er um die Figur herumzuschleichen. Er klopfte an den steinernen Sockel in der Hoffnung, vielleicht einen Hohlraum zu entdecken. Dann strich er über die schlangenartigen Auswüchse am Kopf, doch alles, was er erntete, war ein hämischer Blick des steinernen Auges. Gerade als er sich abwenden wollte, berührte er mit seiner Armbanduhr zufällig eine der Schlangen. Ein klagender Ton erfüllte die Kammer.
    Chris erstarrte. Er kannte diesen Ton, hatte ihn irgendwo schon einmal gehört. Er nahm seine Uhr ab und strich mit dem Armband erneut über den spröden Stein. Wieder war der Ton zu hören, doch diesmal war er voller und reiner. Chris bewegte die Lippen, während er eine kleine Melodie summte. Und plötzlich begriff er, woher er diese Melodie kannte. Er hatte sie gehört, als er das Auge berührte.
    »Großer Gott«, stammelte er. »Das ist doch nicht möglich. Könnte es sein, dass dies der Schlüssel ist …?«
    Die Gedanken schwirrten wie ein Schwarm aufgeregter Bienen in seinem Kopf herum. Wenn dieser Türmechanismus tatsächlich eine Art Falle darstellte – oder sollte er besser sagen: eine Prüfung? –, dann nur für diejenigen, die nicht in das Geheimnis des Steins eingewiesen waren. Für die Ungläubigen, die Zweifler, die Ketzer, diejenigen, die ihn nicht berührt hatten.
    Mit fieberhaftem Eifer machte er sich daran, seine Theorie in die Praxis umzusetzen. Fünf Töne hatte er gehört, fünf Töne musste er finden. Keine leichte Aufgabe bei insgesamt neunundzwanzig Armen. Es würde eine Weile dauern, bis er die genauen Klänge lokalisiert und in die richtige Reihenfolge gebracht hatte.
    Schon bald erfüllten fremdartige Töne die kleine Höhle. Sie waren so fremdartig, dass selbst Abdu neugierig näher kam.
    Zehn Minuten später hatte Chris vier Klänge eindeutig identifiziert. Er stand kurz davor, den fünften ausfindig zu machen, als ihn ein Geräusch auffahren ließ. Ein tiefes Rumpeln drang durch den Raum und ließ den Boden unter ihren Füßen erzittern. Chris hielt verdutzt inne. Warum nur hatte er das Gefühl, dass die Erschütterung etwas mit den Klängen zu tun hatte? Er spielte die letzte Folge erneut. Wieder dröhnte es in der Höhle. Chris spürte Abdus Hand auf seiner Schulter, als dieser wie gebannt an die Decke starrte. Das Rechteck, das zu Beginn seiner Untersuchung nur schwach zu erkennen gewesen war, zeichnete sich deutlich vom umgebenden Fels ab.
    Chris ging zu dem Rechteck, das sich an der Decke abzeichnete. Die Feuchtigkeit hatte zugenommen. Langsam fuhr er mit dem Finger den Spalt entlang und entdeckte, dass sich in der linken Ecke bereits Wassertropfen sammelten. Es dauerte nicht lange, und aus den Tropfen wurde ein schmales Rinnsal, das mit steigender Geschwindigkeit an der Wand der Höhle hinablief.
    »Was hältst du davon, Abdu?«, wandte sich Chris an den schlanken Tuareg. »Findest du nicht, dass es so aussieht, als würde sich auf der anderen Seite ein Wasserreservoir befinden?«
    Abdu trat näher, tauchte seinen Finger in das Rinnsal und kostete es. »Abgestanden und sehr kalt«, konstatierte er. »Da ist ein tiefes Wasser auf der anderen Seite. Ich würde nicht weitermachen.«
    Chris wollte sich nicht eingestehen, dass ihre Hoffnung auf ein Entkommen ein so jähes Ende haben sollte. Er hatte sich so sehr gewünscht, dem

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